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euandros 1,2,3,4
EUANDROS 1,2,3,4 1. Ursprünglich war Euandros ein Gott oder Daimon aus dem Kreise des Pan, wurde im südöstlichen Arkadien lokalisiert und als Heros des arkadischen Dorfes Pallantion verehrt. In Arkadien galt er als Sohn des Hermes und der Nymphe Themis 2, einer Tochter des Flussgottes Ladon 2. Auch die mit prophetischen Gaben ausgestattete arkadischen Nymphe Nikostrate 1 wird als seine Mutter genannt. Pausanias 8,44,5 berichtet von einem Tempel in Pallantion, in dem neben einer Marmorstatue des Pallas auch eine des Euandros gestanden ist. Der Tempel wurde nahe dem heutigen Ort Besiri (amtlich Pallantion) ausgegraben. ….. Homer nennt in der Ilias 6,196ff die Genealogie Bellerophontes – Laodameia / Zeus – Sarpedon. Spätere Schriftstellen gaben Sarpedon als leiblichen Vater den Euandros 1 und als Sohn einen Euandros 4. Euandros 1 wird dadurch zum weltlichen Gemahl der Laodameia 1. Durch die spätere Aufteilung der von Homer genannten Laodameia 1 in eine Laodameia 1 und eine Deidameia 3 (als Schwester) musste auch Euandros in einen Euandros 1 und einen Euandros 4 aufgeteilt werden. Dieser Euandros 4 ist ein Sohn des Sarpedon 1 und damit ein Enkel des Euandros 1, heiratet seine Großtante Deidameia 3 und zeugt mit ihr den Sarpedon 2 dessen Sohn Euandros 4 gleichzeitig auch sein Vater ist. Bei den meisten Schriftstellern sind Deidameia und Laodameia jedoch eine Person. Weil Laodameia 1 und Deidameia 3 aber identisch sind erscheinen hier Großvater und Enkel als eine Person, ein Trick den die Genealogen oft anwendeten um zeitlich verschobene mythisch-geschichtliche Personen zueinander zu bringen. ….. Seit spätestens dem 3. Jh. v. Chr. hatte in Rom folgende Legende Gültigkeit: Euandros, Vergil nennt ihn Euander, war der erste Mensch der sich im Bereich der heutigen Stadt Rom niedergelassen hat. 60 Jahre vor dem troianischen Krieg ist Euandros mit einigen Leuten nach Italien ausgewandert. Seine Mutter habe ihn veranlasst zu gehen, denn als Seherin habe sie vorausgesehen, dass Euandros, sollte er in Arkadien bleiben, beim Kampf um Troia sein Leben verlieren werde. Auch andere Gründe werden genannt. Nach langer Wanderung, begleitet von seiner Mutter, hat er sich mit seinen Leuten oberhalb des Flusses Tiber am Abhang des heutigen Palatin niedergelassen. Faunus, der König der Aboriginer, der Urbevölkerung am Tiber, empfing ihn freundlich. Euandros, jetzt König dieser Arkader, gründete eine Stadt und gab ihr als Erinnerung an sein Heimatdorf in Arkadien den Namen Pallanteum (dieses arkadische Dorf heißt heute noch Pallantion). Diese Arkader sollen damit die ersten gewesen sein, die auf dem Palatin gewohnt haben. König Euandros gründete in dieser Stadt die Kulte des Hermes, der Carmentis / Themis / Nikostrate 1, der Demeter, der Nike und des Poseidon. Zudem war er der Erste, der den Herkules göttlich verehrte und ihm am Ufer des Tiber am Fuße des Palatin einen Altar errichtete. Aus diesem Altar entwickelte sich später die Ara maxima, die überlieferte Kultstätte des Herkules (Leider sind die dort bekannten Anlagen und Tempel erst zu einem kleinen Teil archäologisch erforscht). ….. In der weiteren Entwicklung nannten die Römer seine Mutter Carmentis / Carmenta (Gleichsetzung mit der altrömischen Göttin Carmenta, die wiederum mit der griechischen Themis und der arkadischen Nymphe Nikostrate 1 identisch ist) und setzten Euandros dem Faunus gleich. In dieser Version tötete Euandros seine Mutter als sie 110 Jahre alt war. Carmentis ist auch unter dem Namen Tibur bekannt; Serv. Vergil Aen. 8,336. Auch Echemos aus Tegea, Nyktimos und Aigeus werden jetzt als Väter und die Tyndareostochter Timandra als Mutter des Euandros genannt. Eratosthenes nennt Euandros als Sohn der italienischen Sibylle; Schol. Platon Phaidr. 244 b. Damit ergaben sich folgende Abstammungen des Euandros 1: Japetos – Prometheus – Deukalion – Hellen – Aiolos – Sisyphos – Glaukos – Bellerophontes – Laodameia / Zeus / Euandros 1 – Sarpedon 1 – Euandros 4. Japetos – Atlas – Maia / Zeus – Hermes / Themis 2 / Nikostrate 1 – Euandros 1 – Pallas 5, Launa, Pallantia, Pallantium, Roma und eine weitere Tochter. Carmenta – Euandros 1. Ital. Sibylle – Euandros 1. Poseidon – Aigeus – Euandros 1. Gaia / Hephaistos – Erechtheus – Pandion 1 – Erechtonios – Pandion 2 – Kekrops 2 – Aigeus – Euandros 1. Okeanos – Inachos – Phoroneus – Niobe / Zeus – Pelasgos – Lykaon 3 – Nyktimos – Euandros 1. Japetos – Atlas – Taygete / Zeus – Lakedaimon – Amyklas – Kynortas – Oibalos – Tyndareos – Timandra / Echemos – Euandros 1. ….. Damit konnte man über mehrere Genealogien die Abstammung des Euandros von der Göttin Gaia und den Göttern Hephaistos, Hermes, Zeus, Poseidon, Okeanos, Atlas, einer Nymphe, einer Sibylle und zudem von einer altrömischen Göttin beweisen. Nur dieser Euandros konnte Rom, die zukünftig Königin aller Städte, gründen. Kein Sterblicher war besser geeignet als er. In diesem Selbstverständnis und Selbstbewusstsein lebten die Bewohner dieser Stadt und leiteten davon ihren Machtanspruch ab. ….. Damit galt Euandros als erster legendärer Gründer von Rom, ca. 530 Jahre vor Romulus und Remus. Als Anerkennung dieser Verdienste des Euandros hat Kaiser Antoninus Pius ca. 1450 Jahre nach der mythischen Existenz des ersten Romgründers sein Heimatdorf Pallantion in Arkadien zur Stadt erhoben, sie zur freien Stadt erklärt und ihr Steuerfreiheit gegeben; Pausanias 8,43,1f. ….. Die vier Töchter und zwei Söhne des Euandros werden in freier dichterischer Phantasie genealogisch verschieden gereiht. Seinen Enkel Pallas 6 verwandelt Vergil in seinen Sohn Pallas 5, auch als Großvater wird er genannt und Pallantium wird als Großvater, Sohn und Enkel erwähnt. Seine Tochter Pal(l)antia wurde von Herakles geschändet und brachte einen Sohn Pallas 6 zur Welt. Nach ihrem Tod wurde sie auf dem Hügel Palatin bestattet. Gleiches erzählt man von seiner Tochter Launa. Eine namentlich nicht genannte Tochter soll dem Herakles den Sohn Fabius geboren haben. ……… Vergil Aeneis 8,60ff (Im Traum erschien dem Aineias der Flussgott Tiberinus): „Hier in Italien suchten Arkader, Enkel des Pallas, unter dem König Euander und ihm als Heerschar verpflichtet, eine geeignete Stelle sich aus und errichteten eine Stadt in den Bergen, dem Ahnherrn gemäß Pallantéum mit Namen. Andauernd stehen sie gegen das Volk der Latiner in Waffen. Wirb sie als Kampfgenossen, schließe ein Bündnis mit ihnen! Selber will ich in meinem Naß dich, stromaufwärts, geleiten, will es so einrichten, daß du beim Rudern die Strömung bewältigst. Auf denn, du Sprößling der Göttin, sofort, wenn die Sterne versinken, bete gehörig zu Juno, beschwichtige fromm durch Gelübde ihren bedrohlichen Zorn! Mir brauchst du erst nach dem Erfolge Ehren zu zollen. Ich bin der bläuliche Thybris - mit voller Strömung siehst du mich zwischen den Ufern die fruchtbaren Fluren eifrig durchziehen -, der Strom, den aufs höchste die Himmlischen schätzen Hier erhebt sich mein Schloß, ich entspringe bei Städten der Berge.« Gleich nach den Worten verschwand der Gott in der Tiefe des Flusses. Während die Nacht schon entwich, erwachte Aeneas, erhob sich, schaute zum Sonnenlicht hin, das vom Rande des Himmels emporstieg, schöpfte, dem Brauche getreu, aus dem Strome sich Wasser mit hohlen Händen und ließ sein Gebet zu den Höhen des Äthers erschallen: »Nymphen ihr, Nymphen Laurentums, Ursprung der Flüsse - du, Vater Thybris mit deinem geheiligten Strome: Gewährt dem Aeneas gnädige Aufnahme, bietet ihm endlich Schutz vor Gefahren! Wo dich das Erdreich auch birgt, der du meiner im Unglück dich annimmst, wo du auch immer dem Boden entquillst als schönster der Flüsse, immer will ich mit Ehrungen, immer mit Opfern dich feiern, stattlich gehörnter Stromgott, König der Wasser Hesperiens! Hilf mir doch, gütiger noch beweise dein göttliches Walten!« Nach dem Gebet erwählte er aus der Flotte zwei Schiffe, hängte die Ruder ein, hieß die Begleiter der Fahrt sich bewaffnen. Ganz unerwartet enthüllte sich jetzt den Blicken ein Wunder: Lag doch, weißleuchtend im Walde, mit gleichfalls weißleuchtenden Jungen, deutlich erkennbar die Sau am grünenden Ufer! Aeneas weihte sie pflichtbewußt dir, du gewaltige Juno, zum Opfer, brachte das Tier mitsamt den Jungen sogleich zum Altare. Schon durch die Länge der Nacht hin hatte Thybris die starke Strömung gemäßigt, er hemmte sie jetzt und staute sein Wasser, glättete mild, wie ein friedlicher See mit stehendem Spiegel, sämtliche Wellen, erleichterte damit den Einsatz der Ruder. Mühelos kamen geschwind sie voran, froh rauschte das Wasser. Schnell durch die Fluten glitt das geteerte Kielholz, und staunend sahen Wasser und Bäume das seltsame Schauspiel: wie weithin funkelnde Schilde und bunte Schiffe den Flußlauf befuhren. Weder bei Nacht noch bei Tage hielten sie ein mit dem Rudern, eilten durch mächtige Windungen, wurden von vielerlei Bäumen sicher beschattet, durchquerten friedlich tiefgrünende Wälder. Glühend schon hatte die Sonne die Höhe des Weges erklommen, als in der Ferne sie Burgmauern sahen und niedrige Häuser, Bauten, die heute dank römischer Macht fast himmelhoch ragen, während Euander nur über dürftige Mittel verfügte. Ohne zu säumen, lenkten sie dorthin und nahten der Siedlung. Eben an diesem Tage vollzog der arkadische König festlich die Jahresopfer für Herkules wie auch für andre Götter, im Hain vor der Stadt, gemeinsam mit Pallas, dem Sohne, adligen Jünglingen und dem schlichten Senat. Sie verbrannten Weihrauch, und warmes Opferblut dampfte noch auf den Altären. Plötzlich erblickten sie ragende Schiffe im Schatten der Bäume; näher schon glitten sie, schweigend ruderte, eifrig, die Mannschaft. Aufgeschreckt sprangen sogleich die Arkader empor von der Mahlzeit. Aber beherzt hieß Pallas das Opfer sie fortsetzen, packte selber die Lanze und eilte den Fremden entgegen. Von einem Hügel aus fragte er, noch im Abstand: »Ihr Männer, weswegen fahrt ihr so kühn in die Fremde? Wohin? Und wer seid ihr, aus welchem Vaterland, welchem Geschlecht? Bringt Krieg ihr oder den Frieden?« Antwort erteilte vom hohen Hinterdeck Vater Aeneas, streckte den Zweig des Ölbaums empor zum Zeichen des Friedens: »Männer und Waffen von Troja erblickst du, feind den Latinern, die uns, als Schutz wir erbaten, aus Hochmut gewaltsam verstießen. König Euander wollen wir sprechen. Bringt ihm die Nachricht; eine Gesandtschaft troischer Fürsten erbittet ein Bündnis.« Staunen ergriff den Jüngling beim Hören des ruhmreichen Namens. »Lande nur, wer du auch bist«, so rief er, »besprich dich mit meinem Vater persönlich, nahe als Gastfreund unsern Penaten!« Herzlich begrüßte er ihn mit kräftigem Handschlag. Dann schritten beide vom Ufer des Flusses zum Hain, der Stätte des Opfers. Nunmehr eröffnete Vater Aeneas freundlich dem König: »Tüchtigster unter den Griechen, dir sollte, mit Willen Fortunas, flehend die bindenumwickelten Zweige ich reichen. Ich hege keinerlei Furcht, weil Arkader du seist und Danaerfeldherr, auch schon vom Ursprunge an verwandt mit den beiden Atriden. Nein, meine eigner Entschluß und heilige Sprüche der Götter, unsre gemeinsamen Ahnen, dein weltweiter Ruhm, sie verbanden eng mich mit dir und hießen mich willig dem Götterwort folgen. Dardanos, Urahn und Gründer von Ilion, den einst Elektra, Tochter des Atlas, gebar, wie die Griechen berichten, gelangte in das Gebiet der Teukrer. Sein Großvater war der bekannte Riese, er trägt auf den Schultern kraftvoll das Himmelsgewölbe. Doch ihr Arkader stammt von Merkur ab, den einstmals die schöne Maja empfing und gebar auf den eiskalten Höhen Kyllenes. Trauen wir der Überlieferung, ist der Vater der Maja ebenfalls Atlas, der Träger der Himmelsgestirne. Auf diese Weise entstammen ein und demselben Urahn wir beide. Hierauf baute ich, als ich es ablehnte, erst durch Gesandte vorsichtig Fühlung mit dir zu suchen. Persönlich begebe ich mich in deine Gewalt und bitte dich dringend um Hilfe. Mich auch bedrängen, genauso wie dich, die Daunier mit einem grausamen Kriege. Besiegen sie uns, so werden sie sicher bald ganz Hesperien sich unterwerfen, desgleichen die beiden Meere, das Adriatische wie das Tyrrhenische. Lasset Treue einander uns schwören! Wir halten uns tapfer im Kampfe, zeigen auch Mut, in Gefahren bewährten sich unsere Streiter!« Derart sprach er. Euander hatte schon lange des Sprechers Antlitz und Augen, die ganze Erscheinung mit Blicken gemessen. Kurz nur entgegnete er: »Sehr gern, du tapferster Teukrer, biete ich Aufnahme dir und erkenne dich an! Ich erinnre mich noch der Worte, der Stimme, der Miene des großen Anchises! Weiß ich genau doch, wie Priamos, Sohn des Laómedon, seine Schwester Hesíone aufsuchte, die in Salamis herrschte, anschließend dann in die rauhen Berge Arkadiens reiste. Damals umkeimte der erste Bartflaum die Wangen mir. Staunend sah ich die Fürsten der Teukrer, staunend auch Priamos selber; stattlicher aber als sämtliche anderen ragte Anchises. Damals schon wollte ich gern im glühenden Eifer der Jugend ansprechen ihn und einen herzlichen Händedruck tauschen, wagte es schließlich und durfte ihn glücklich nach Phéneos führen. Einen vortrefflichen Köcher und lykische Pfeile verehrte er mir zum Abschied, auch einen Mantel aus golden durchwirktem Stoff und zwei goldene Zügel; heute besitzt sie mein Pallas. Deshalb besteht schon für mich das von euch erbetene Bündnis, und wenn das Tageslicht morgen den Erdkreis erleuchtet, entlasse ich euch - ihr sollt euch an Mannschaft und weiteren Hilfsmitteln freuen. Aber zur Stunde begehet - ihr seid ja als Freunde gekommen - mit uns gemeinsam in Andacht das jährliche Fest, das wir niemals aufschieben dürfen; gewöhnt euch schon heut an die Mahlzeit mit Freunden!« Darauf befahl er, aufs neue die Speisen und die schon entfernten Becher zu bringen und bot den Männern Plätze im Grase. Aber bevorzugt auf Polster und zottigem Löwenfell über einem aus Ahorn gefertigten Thronsitz ließ er Aeneas sitzen. Erwählte Jünglinge und der Altarpriester trugen eifrig den Rindsbraten auf, sie packten die mühsam erzeugten Gaben der Ceres in Körbe und reichten die Tropfen des Bacchus. Vater Aeneas und seine Trojaner schmausten vom vollen Rücken des Stiers und den edleren Teilen des Opfers. Als dann der Hunger gestillt war, völlig befriedigt die Eßlust, nahm Euander das Wort: »Dies jährliche Opfer und dieses üblich gewordene Mahl, den Altar auch des machtvollen Gottes danken wir nicht dem Irrwahn, dem Abfall von unseren eignen uralten Göttern. Nein, Gastfreund, aus schweren Gefahren errettet, gründeten dankbar das Fest wir und feiern es immer aufs neue. Schau dort zuerst auf den Felsblock, er scheint auf den Steinen zu schweben, schau die zersprengte Masse, die öde Wohnstatt im Berge, jenen gewaltigen Steinhaufen, der von dem Einsturz geblieben! Eine geräumige Höhle, ein Schlupfwinkel, gähnte hier einstmals, die der entsetzliche Halbmensch Cacus bewohnte. Nie drangen Strahlen der Sonne hinein. Und ständig dampfte der Boden frisch von dem Blut der Ermordeten. Vorn an dem Tor des Verbrechers staken, mit fahlen Gesichtern, die Schädel der Opfer und faulten gräßlich dahin. Vulcanus war der Vater des Unholds, der sich, schwarzrauchige Flammen speiend, massig daherschob. Aber für uns auch brachte die Zeit nach langem und heißem Sehnen die Ankunft des hilfreichen Gottes. Als machtvoller Rächer nahte, Bezwinger Geryons, des dreigestaltigen Riesen, Herkules, trieb des Erlegten gewaltige Stiere als stolzer Sieger. Die Rinder lagerten weithin im Talgrund am Flusse. Doch der zur Untat gestachelte Cacus gedachte in seiner Frechheit auf kein Verbrechen und keinerlei List zu verzichten. Deswegen trieb er vom Weideplatz fort vier stattliche Stiere, außerdem noch vier Kühe von außergewöhnlicher Schönheit. Um aus den Spuren die Wegrichtung nicht erkennen zu lassen, zog er die Tiere am Schwanz in die Höhle und tarnte auf diese Weise den Raub. Dann verbarg er die Beute im Dunkel der Felsen. Einem Verfolger enthüllte kein Zeichen den Weg in die Höhle. Aber inzwischen trieb der Amphitryonsprößling die Tiere, die auf der Weide sich gütlich getan, zu schleunigem Aufbruch. Über den Abzug klagten die Rinder, die Waldungen hallten wider vom Brüllen, das Vieh verließ lautdröhnend die Hänge. Antwortend brüllte jetzt tief aus der Höhle eine der Kühe, machte die Hoffnung des listig-wachsamen Räubers zuschanden. Doch den Alkiden packte die Wut, ihm kochte die schwarze Galle vor Ärger. Er packte die wuchtig gebuckelte Keule, stürmte den Steilhang hinan zum Gipfel des ragenden Berges. Damals zum ersten Male sahen wir Cacus vor jähem Schrecken bestürzt, er suchte, geschwinder als Sturmwind, in seinem Höhlennest Zuflucht, die Angst verlieh dem Eilenden Flügel. Ungesäumt schloß er sich ein, er sprengte die Ketten und stürzte abwärts den riesigen Block, den des Vaters Schmiedekunst lange hoch in der Schwebe gehalten, verrammelte völlig den Zugang. Aber da war der Tirynthier, rasend vor Wut, schon zur Stelle, spähte nach möglichen Eingängen, hierhin und dorthin, und knirschte wild mit den Zähnen. Dreimal musterte, glühend vor Rachlust, er den gesamten Berg Aventinus; dreimal vergeblich suchte er Steine zu rücken; dreimal ließ er im Talgrund kraftlos sich nieder. Scharfkantig lag ein Granitblock, hochragend, über der Höhle, rings fielen die felsigen Schroffen zur Tiefe. Schrecklichen Raubvögeln bot er günstige Plätze zum Nisten, neigte sich linkshin vom Hange hernieder in Richtung des Flusses. Gegen ihn stemmte von rechtsher sich Herkules, rüttelte kräftig, lockerte ihn in der Tiefe, versetzte dann plötzlich ihm einen mächtigen Stoß. Von dem Sturz erdröhnte der riesige Äther, barst das Flußbett, drängte vor Schrecken der Wasserschwall rückwärts. Aufgedeckt lag die Höhle, die mächtige Schlupfburg des Cacus, offen erschlossen dem Blick bis zum Grund sich die finsteren Grotten, ganz so, als klaffte die Erde durch rohe Gewalt auseinander, schlösse die Unterwelt auf und enthüllte die Göttern verhaßten Sitze der bleichen Seelen, als sähe man unten den tiefen grausigen Schlund, als erbebten, geblendet vom Lichte, die Manen. Wider Erwarten plötzlich im Lichte ertappt und in seinen Klüften gefangen, begann, wie noch niemals, Cacus zu brüllen. Herkules setzte von oben ihm zu mit Geschossen, benutzte alle erdenklichen Waffen, bedrängte mit Ästen und Blöcken, riesig wie Mühlsteinen ihn. Doch der Unhold - er konnte dem Unheil länger nicht ausweichen - spie aus dem Schlunde, ein wahrhaftes Wunder, riesige Rauchwolken, hüllte in Düsternis sämtliche Grotten, raubte den Augen die Sicht und ballte in felsigen Klüften nachtschwarzen Qualm und ein Dunkel, das spärliche Flammen durchzuckten. Herkules ließ sich im Zorn das nicht bieten, er schnellte durch Feuer vorwärts im Sprunge, dorthin, wo der Rauch am dichtesten wogte, wo auch der Höhlengrund wallte von düster ziehenden Schwaden, packte im Finstern den Riesen, dem nunmehr das Sprühen von Flammen gar nichts mehr nützte, umschlang ihn fest und würgte ihn zähe, bis ihm die Augen herausquollen, blutleer die Kehle ihm stockte. Anschließend brach er das Tor auf, den Zugang zur düsteren Höhle, zeigte die Rinder, die ohne Erfolg verheimlichte Beute, offen dem Himmel und schleifte den häßlichen Leichnam an seinen Füßen heraus. Nicht sattsehen konnte das Volk sich an diesem Halbwilden, seinem Gesicht, den gräßlichen Augen, der furchtbar zottigen Brust und dem Rachen, in dem die Flammen erstickten. Seitdem begeht man dies Fest, die Nachfahren feiern voll Freude ständig den Tag, Potitius als der Begründer des Kultes und die Pinarier als die Betreuer des Herkulesopfers. Herkules weihte noch selbst den Altar, den wir immer als 'Größten' lobpreisen werden, der immer als 'Größter' auch dauert in Zukunft. Deshalb, ihr Jungen, bekränzt euch zum Lobe so rühmlicher Leistung heiter die Haare mit Laub, erhebt mit der Rechten den Becher, rufet den Gott, der uns alle beschützt, und spendet vom Weine!« Soweit Euander. Schon deckten die weißgrünen Blätter der Pappel, wie sie einst Herkules liebte, als Kranz beschattend die Haare, hielt den geweihten Becher die Rechte. Froh gossen sie alle gleich auf den Tisch die Spende und beteten fromm zu den Göttern. Hoch vom Olympus begann inzwischen der Abend zu dämmern. Nunmehr kamen die Priester, Potitius ging an der Spitze, alle im Fellschurz nach alter Sitte, mit brennenden Fackeln. Fortgesetzt wurde das Mahl, man brachte den Schmaus von dem zweiten Opfer und häufte die vollen Schüsseln auf den Altären. Rings um die flammenden Herde scharten zum Lied sich die Salier, festlich die Schläfen umkränzt mit den Zweigen der Pappel, zwei Chöre, Junge und Alte getrennt. Sie priesen mit ihrem Gesange ruhmvolle Taten des Herkules: Wie er das Schlangenpaar tödlich würgte, die ersten Untiere, die ihm die Stiefmutter schickte; wie er im Kriege zwei blühende Städte vernichtete, Troja und Oichalía, wie er im Dienste des Königs Eurystheus tausend gefährliche Arbeiten, Folgen der Eifersucht Junos, ausführte. »Niemals Besiegter, die Söhne der Wolke bezwangst du, die Kentauren Hylaios und Pholos; das Untier von Kreta; in dem felsigen Tal von Nemea den riesigen Löwen. Vor dir erbebten die Wasser der Styx und der Wächter des Orkus, der auf benagten Knochen sich streckt in blutiger Höhle. Niemand jagte dir Schrecken ein, selbst nicht Typhóeus mit seinen aufwärts züngelnden Rachen. Besonnen bliebst du im Kampfe, als dich die Schlange von Lerna mit wimmelnden Köpfen umzischte. Glück dir, du wahrhafter Jupitersprößling, du Zierde der Götter, gnädig und glückbringend komme zu uns, nimm teil an dem Opfer!« Feierlich sangen sie dies und erwähnten vor allem des Cacus Schlupfwinkel noch und das feuerspeiende Ungetüm selber. Ringsum hallten die Höhen und weithin die Waldungen wider. Nach der Erfüllung der kultischen Pflichten zogen sie alle wieder zur Stadt. Der König schritt, gebeugt schon vom Alter, zwischen Aeneas und seinem Sohne, auf beide sich stützend, und verkürzte den Weg durch mannigfache Gespräche. Staunend ließ Aeneas die lebhaften Blicke im Umkreis schweifen, die Stätte beeindruckte ihn, er fragte in heitrer Stimmung nach einzelnem, ließ sich berichten von Taten der Vorzeit. Dabei erklärte Euander als Gründer der römischen Stadtburg: »Hier in den Wäldern hausten als Urvolk Faune und Nymphen, Menschen auch, die noch aus Baumstümpfen sproßten und knorrigen Eichen, denen Gesittung und Bildung fehlten. Sie konnten nicht Stiere anschirren, konnten nicht ernten, nicht sparsam Erworbenes nutzen, nährten sich mühsam von Baumfrüchten wie vom Ertrage der Jagden. Da erschien vom hohen Olympus als erster Saturnus als ein Verbannter, durch Jupiter grausam vom Throne gestoßen, brachte den ungehobelten, über die Berge verstreuten Wesen Gesetze und staatliche Einheit. 'Sichere Stätte', Latium, nannte das Land er, weil er hier Zuflucht gefunden. Das weit gepriesene Goldene Zeitalter herrschte in seinem Reiche. So friedlich lenkte er klug die Geschicke der Völker, bis sich allmählich die Zeiten verschlechterten, gar nicht mehr glänzten, rasende Kriegswut sich durchsetzte, gleichzeitig schamlose Habgier. Die Ausonier wanderten ein und sikanische Stämme, oftmals veränderte das Gebiet des Saturnus den Namen. Weitere Könige herrschten, darunter der riesige, rohe Thybris, nach dem wir Italer dem Fluß hier den Namen verliehen; Albula hieß ursprünglich der Strom, doch verlor er den Namen. Ich, aus der Heimat verbannt, bis ans Ende des Meeres verschlagen, wurde hier seßhaft dank dem allmächtigen Schicksal und einer unabwendbaren göttlichen Weisung; mich drängte die strenge Mahnung der Mutter, der Nymphe Carmentis, mich drängte Apollo.« Derart erzählte er, zeigte darauf nach weiterem Schreiten gleich den Altar, dazu auch das Tor, das die Römer noch heute das Carmentalische nennen, seit alters zu Ehren der Nymphe, die als Prophetin zum ersten Male die künftige Größe der Aeneaden besang und die ruhmreiche Stadt Pallanteum; zeigte den prächtigen Hain, den der tapfere Romulus später klug zum Asyl erklärte; die eisige Grotte Lupercal, nach dem lykäischen Pan benannt in parrhasischem Sinne; wies auf den Hain Argiletums auch hin, der heiligen Stätte, rief sie feierlich an und erzählte vom Tode des Gastfreunds Argus. Zum Fels der Tarpeja führte er dann den Aeneas, zum Kapitol, dem »goldenen« heute, doch einstmals von wildem Urwald umwucherten. Damals schon schreckte die Scheu vor der Stätte mächtig das Landvolk, es zitterte vor dem Wald und dem Felsen. »Dieses Waldstück«, erklärte er, »diesen schattig belaubten Hügel bewohnt ein Gott - wir wissen nicht, welcher. Arkader sahen leibhaftig den Jupiter, wähnen sie, der in der Rechten oftmals den düsteren Aegisschild schwang und Sturmwolken ballte. Außerdem siehst du zwei Burgen mit völlig zertrümmerten Mauern, Reste, ehrwürdige Denkmäler aus den Zeiten der Alten; jene errichtete Vater Ianus, diese Saturnus, jene Ianiculum einstmals genannt, Saturnia diese.« Derart erreichten sie im Gespräch die Behausung des schlichten Königs Euander und sahen verstreut auf dem Forum Romanum Viehherden weiden, vernahmen Rindergebrüll, wo sich heute stolz die Carinen erstrecken. Am Ziele erklärte Euander: »Herkules trat nach dem Siege hier ein, ihm reichte vollständig dieser Palast. Verschmähe auch du entschlossen den Reichtum, halte des Gottes dich würdig, verachte die Einfachheit ja nicht!« Damit geleitete er den stattlichen Helden Aeneas unter das Dach des beengten Gebäudes und bot ihm auf einer Laubschütte und dem Fell der libyschen Bärin ein Lager.“ [Vergil: Lied vom Helden Aeneas. Dichtung der Antike von Homer bis Nonnos, S. 17838 (vgl. Vergil-W, S. 326 ff.) (c) Aufbau-Verlag] ….. König Euandros unterstützte Aineias mit einem kleinen Heer, verabschiedet seinen noch sehr jungen Sohn Pallas der mit in den Krieg zog und anvertraut ihn dem Aineias; Vergil Aeneis 8,558ff: „Vater Euander drückte zum Abschied die Rechte des Sohnes kräftig und lange und sagte, ohne den Tränen zu wehren: »Jupiter, gib mir zurück die entschwundene Jugend, die Kräfte, die ich besaß, als zum ersten Mal, vor den Mauern Praenestes, Feinde ich schlug, die Haufen erbeuteter Schilde verbrannte, siegreich mit meiner Hand zum Tartarus schickte den König Erulus, dem beim Gebären die Mutter Feronia - schrecklich! - dreierlei Leben mitgab; ich mußte ihn dreimal bekämpfen, dreimal zu Boden ihn strecken! Doch meine Rechte entraffte dreimal das Leben ihm, ebensooft auch die Rüstung! Dann würde niemals ich heute, mein Sohn, mich losreißen müssen aus deiner lieben Umarmung, dann hätte Mezentius niemals so viele Menschen gemordet, die Stadt nicht entblößt von so zahlreichen Bürgern, mir, der an seiner Grenze ich lebe, zu bitterem Hohne! Anflehen will ich euch, Himmlische, dich auch, Beherrscher der Götter, Jupiter, bitte, erbarmt euch des arkadischen Königs, hört, wie ein Vater euch anfleht! Wenn euer machtvolles Walten, wenn auch das Schicksal mir Pallas am Leben erhält, mir vergönnt ist, wiederzusehen den Sohn und ihn zu begrüßen, dann, bitte, laßt mich am Leben, ich werde auch härteste Mühsal ertragen! Drohst du mir aber mit unaussprechlichem Unheil, Fortuna, bitte, entreiße mir heut noch das grausame Leben, solange zwischen der Furcht und der Hoffnung die Sorge mir schwankt und solange ich dich umarme, mein lieber Sohn, dich, die einzige späte Freude! Ach, blieben die Ohren verschont mir von einer so bittren Botschaft!« So klagte der Vater beim letzten Abschied vom Sohne, brach dann zusammen. Bediente mußten ins Zimmer ihn tragen.“ [Vergil: Lied vom Helden Aeneas. Dichtung der Antike von Homer bis Nonnos, S. 17866 (vgl. Vergil-W, S. 343 ff.) (c) Aufbau-Verlag] ….. Mit dem Mut der Jugend stürzte sich Pallas in die Schlacht gegen die Rutuler, tötete viele, wurde aber selbst von Turnus getötet; Aeneis 10,361ff: „Jenseits jedoch, wo ein reißender Bergstrom rollende Steine, auch aus den Ufern gerissenes Buschwerk mit fortgewälzt hatte, wurden vom rauhen Gelände bereits die arkadischen Reiter übel gezwungen zum Absitzen, mußten jedoch, in dem Fußkampf wenig erfahren, vor den Latinern zurückweichen. Pallas sah es und tat, was allein er noch konnte in solcher Bedrängnis, suchte durch Flehen, dann auch durch Schelten den Mut zu beleben: »Wohin, ihr Freunde, flieht ihr? Bei euch, die ihr tapfer einst kämpftet, bei des Königs Euander glanzvoll gewonnenen Kriegen, auch bei der Hoffnung, mit der ich dem Ruhme des Vaters voll Eifer nachstrebe: Sucht nicht das Heil in der Flucht! Es gilt mit der Waffe quer durch den Feind sich zu schlagen. Dorthin, ins dichte Gedränge, ruft das erhabene Vaterland euch und den Anführer Pallas. Keinerlei Götter bedrängen uns, Sterbliche nur, wie wir selber Sterbliche sind, an Mut und an Fäusten einander gewachsen. Seht, wie das Meer uns umschließt mit mächtigem Wasserschwall: Festland fehlt uns zur Flucht! Wohin jetzt - ins Wasser oder ins Lager?« Damit stürzte er sich ins dichte Getümmel der Feinde. Lagus, gedrängt vom tödlichen Schicksal, trat ihm als erster mutig entgegen, erraffte sich einen wuchtigen Felsblock. Aber dabei noch durchbohrte ihn Pallas mit kraftvollem Speerwurf, traf ihn ins Rückgrat und riß die im Wirbel haftende Waffe mühsam heraus. Doch konnte ihn Hisbo, wider Erwarten, nicht überrumpeln. Denn während er, über das grausige Sterben seines Gefährten erbittert, blindlings heranstürmte, konnte Pallas ihn auffangen, stieß ihm das Schwert in die keuchende Lunge, tötete Sthenios dann, Anchémolos gleichfalls, des Rhoitos Sprößling, der schamlos ein Liebesverhältnis zur Stiefmutter knüpfte. Ihr auch, ihr Zwillingssöhne des Daucus, Larides und Thymber, fielt auf dem Rutulerschlachtfeld. Ihr waret einander sehr ähnlich, wurdet verwechselt sogar von den Eltern, ein köstlicher Irrtum! Heute jedoch unterschied euch Pallas in furchtbarer Weise, trennte dir, Thymber, das Haupt vom Rumpf mit dem Schwerte Euanders, hieb dir, Larides, die Rechte ab - die dich, getrennt schon, noch suchte, mit den ersterbenden Fingern noch zuckend den Schwertgriff umkrallte. Schon durch die Mahnung entflammt, die Kühnheit des Pallas vor Augen, stürmten zum Kampf die Arkader, von Scham und von Ärger getrieben. Pallas durchbohrte den Rhoiteus, der zweispännig grad zu entkommen suchte. Sein Fluchtversuch schenkte dem Ilos Aufschub vorm Tode. Kreuzte doch Rhoiteus die Flugbahn der wuchtigen Lanze, die Pallas fernher auf Ilos abgesandt hatte, und wurde getroffen, fliehend, Held Teuthras, vor dir und dem Bruder Tyres. Vom Wagen sank er, noch lebend, und schlug mit den Fersen den Rutulerboden. Wie an verschiedenen Stellen der Waldtrift ein Hirte im Sommer, wenn, schon ersehnt, die Winde auffrischen, Feuer entzündet, diese dann reißend schnell um sich greifen und plötzlich in einer schrecklichen Feuerfront weithin sich wälzen, der Hirte indessen, froh des Erfolges, vom Hochsitz die siegreichen Flammen betrachtet, ebenso schlossen sich jetzt die wackren Arkader zusammen, Pallas, zu deiner Freude. Der tapfere Krieger Halaesus drängte zum Gegenstoß vorwärts, völlig gedeckt von dem Schilde, streckte gleich Ladon, Pheretas, Demódokos nieder. Dem Strymon, der mit der Hand nach der Kehle ihm krallte, hieb er mit blanker Klinge die Rechte ab, traf dann den Schädel des Thoas mit einem Steinwurf, zermalmte die Knochen, die blutig das Hirn übersprühte. Vorsorglich hatte der Vater im Wald einst Halaesus verborgen; als dann die Augen des Alten im Tode erloschen, belegten gleich die Parzen den Sohn mit Beschlag: Den Waffen Euanders weihten sie ihn. Jetzt trat ihm Pallas entgegen und flehte: »Vater Thybris, lasse den Spieß, den ich schwinge, mit seiner Spitze erfolgreich die Brust des rauhen Halaesus durchstoßen - anlegen soll dann dein Eichbaum seine erbeutete Rüstung!« Gnädig erhörte der Gott ihn. Grad deckte Halaesus Imaon; dabei bot er, der Arme, die Brust als Ziel dem Arkader. Keine Entmutigung über den Fall des tapferen Helden duldete Lausus, selbst furchtlos im Kampf, bei den Seinen: Im ersten Treffen erlegte er Abas, der standhaft ihr Vordringen hemmte. Schwere Verluste erlitten Arkadiens Söhne, erlitten auch die Etrusker, auch ihr, die den Griechen ihr trotztet, Trojaner. Schlachtreihe prallte auf Schlachtreihe, gleichstark an Führern und Kampfkraft. Vorwärts preßten die letzten, man konnte im dichten Gedränge kaum noch die Arme, die Waffen bewegen. Hier Pallas, dort Lausus spornten zum Kampfe, beinahe gleichaltrig beide, auch beide glänzend in ihrer Erscheinung. Doch hatte Fortuna auch beiden Rückkehr zur Heimat versagt. Der Herr des hohen Olympus freilich erlaubte den zweien kein Kämpfen gegeneinander. Ihrer harrte der Tod von der Hand noch größerer Gegner. Jetzt an die Stelle des Lausus zu treten, ermahnte die hohe Nymphe Juturna den Bruder Turnus. Zu Wagen durcheilte dieser das Heer und rief beim Anblick der Freunde: »Die Stunde fordert zur Kampfpause euch. Ich allein will fechten mit Pallas, mir nur gehört er. Wäre sein Vater als Zeuge zugegen!« Unverzüglich räumten die Kämpfer den Platz, wie befohlen. Während die Rutuler wichen, wunderte Pallas sich über jenen so herrischen Ton und faßte den riesigen Turnus staunend ins Auge, musterte trotzig die ganze Erscheinung, gab dann dem stolzen Gebieter Bescheid mit den Worten: »Ich ernte Ruhm durch Gewinn der herrlichsten Beute oder durch einen glanzvollen Tod. Mein Vater würdigt das eine wie andre. Spar dir die Drohungen!« Damit betrat er die Mitte des Platzes. Eiskalt strömte das Blut den Arkadern zum Herzen. Fürst Turnus sprang von dem Wagen, er wollte den Zweikampf zu Fuße bestehen. Ganz wie ein Löwe, der fern von der Höhe hernieder im Felde einen zum Kampfe entschlossenen Stier erspähte und grimmig gegen ihn stürmt, so bot sich der nahende Turnus den Blicken. Als ihn Pallas in Wurfweite wähnte, gedachte den Anfang kühn er zu wagen; er hoffte, als Schwächerem werde ein Zufall Hilfe ihm bringen, und flehte innig zum mächtigen Äther: »Enkel des Alkeus, bei meines Vaters gastlichem Tische, den du einst aufsuchtest, hilf mir, bitte, beim schweren Beginnen! Sähe mich Turnus, noch lebend, die blutigen Waffen ihm rauben! Müßte er, sterbenden Auges, den Anblick des Siegers ertragen!« Herkules hörte den Jüngling, er unterdrückte die bittre Klage im tiefsten Herzen, vermochte nur hilflos zu weinen. Aber da sprach sein Vater zu ihm die tröstlichen Worte: »Jeden erwartet sein Tag, die Lebensfrist dehnt sich für alle kurz nur und unwiederholbar. Doch rühmlich zu glänzen durch Leistung, bleibt des Tapfren Verpflichtung. Vor Trojas ragenden Mauern fielen so zahlreiche Söhne von Göttern, mit ihnen mein eigner Sprößling sogar, Sarpedon. Den Turnus auch wird noch sein Schicksal rufen, auch er gelangt noch zum Schluß der verliehenen Spanne.« Damit wandte er seine Augen vom Rutulerlande. Pallas jedoch entsandte den Speer mit Anspannung aller Kräfte und riß dann sogleich das funkelnde Schwert aus der Scheide. Über der Schulter ritzte die Waffe im Fluge den Panzer, hatte zuvor schon den oberen Schildrand durchschlagen und streifte schließlich, gehemmt schon, nur leicht den Riesenkörper des Turnus. Seinerseits schwang jetzt dieser den Schaft mit der schneidenden Spitze längere Zeit, dann rief er, und schleuderte los ihn auf Pallas: »Schau jetzt, ob unsere Waffe nicht kraftvoller durchdringt zum Ziele!« Quer durch den Schild, durch so zahlreiche Schichten von Eisen und Bronze, auch durch so zahlreiche Lagen von Rindsfellen bohrte im starken Schwung sich die Lanze, genau in der Mitte, durchschlug auch den Panzer, drang in die Brust dann des jungen stattlichen Helden. Vergeblich riß der Getroffene noch das warme Geschoß aus der Wunde: Gleich mit der Spitze entströmten dem Körper das Blut und das Leben. Jäh auf die Wunde stürzte der Held, ihn umklirrten die Waffen, schlug noch, im Sterben, ins feindliche Erdreich die blutigen Zähne. Über ihn stellte sich Turnus und rief: »Hört, ihr Arkader, und meldet mein Wort dem König Euander: Wie es die Sühne erheischt, so schicke zurück ich ihm Pallas. Ehren des Grabes und Trost der Bestattung will ich gewähren. Teuer bezahlt er die Gastfreundschaft, die er Aeneas gewährte.« Danach setzte er seinen linken Fuß auf den Leichnam, zog das gewichtige Wehrgehenk ab mit dem Bild des Verbrechens, der in der Brautnacht vollzognen Ermordung der eben vermählten Jünglinge und der mit Blut besudelten Hochzeitsgemächer, kunstreich getrieben in Gold von dem Sohn des Eurytus, Clonus. Dieses gewann jetzt Turnus frohlockend als Beute des Sieges. Nichts von den künftigen Schicksalen ahnen die menschlichen Herzen, wissen im Übermaß reichlichen Glückes das Maß nicht zu wahren. Turnus erlebt noch die Stunde, da vieles er gäbe für einen lebenden Pallas, da er den Sieg von heute verabscheut! Doch die Gefährten trugen, bitterlich weinend und klagend, Pallas zurück auf dem Schilde, dicht gedrängt um den Toten. Kummer und herrlichen Ruhm bringt deine Rückkehr dem Vater. Ein Tag sah dich zum ersten Mal kämpfen und gleichzeitig fallen, Haufen von toten Rutulern läßt du jedoch auf dem Kampfplatz!“ [Vergil: Lied vom Helden Aeneas. Dichtung der Antike von Homer bis Nonnos, S. 17945 (vgl. Vergil-W, S. 393 ff.) (c) Aufbau-Verlag] ….. Aus Rache für den Tod des Pallas fing Aineias vier Jünglinge, um mit ihrem Blut bei der Verbrennung der Leiche den Scheiterhaufen zu benetzen; Aeneis 10,516ff: „ …………………………………………..Pallas, Euander standen vor seinen Augen, die Tische, die erstmals ihn gastlich aufnahmen, dann der verpflichtende Handschlag. Vier Jünglinge, Söhne Sulmos, die gleiche Anzahl noch einmal, Söhne des Ufens, nahm er lebendig gefangen, ein Totenopfer den Schatten, wollte auf flammenden Holzstoß ihr Blut als Sühneguß sprengen.“ [Vergil: Lied vom Helden Aeneas. Dichtung der Antike von Homer bis Nonnos, S. 17954 (vgl. Vergil-W, S. 398) (c) Aufbau-Verlag] ….. Im 11. Gesang der Aeneis beschreibt Vergil den Abtransport des toten Pallas und die Übergabe des Leichnams an den Vater: „Macht euch gefaßt auf die weiteren Kämpfe, erwartet sie mutig: Wenn uns die Götter ermächtigen, unter den Feldzeichen unsre Mannschaft in Marsch zu setzen, dann sollte uns nicht Überraschung lähmen, nicht furchtsame Stimmung am raschen Handeln uns hindern. Laßt uns inzwischen ins Erdreich betten die toten Gefährten, einziges Ehrenrecht, das uns die Tiefe des Acheron einräumt. Auf denn, die Seelen der Helden ehrt mit den letzten Geschenken, sie, die mit ihrem Blute das Vaterland neu uns erwarben! Pallas vor allem geleitet zur trauernden Stadt des Euander; trotz der bewiesenen Tapferkeit raffte des Unheils tiefdunkler Tag ihn dahin und ließ ihn erlöschen in grausamem Tode.« Derart sprach er in Tränen und kehrte zurück zu dem Hause, wo der betagte Akoites neben dem Leichnam des Pallas treulich wachte, der Alte, der dem Parrhasier Euander einstmals die Waffen nachtrug, dann unter weniger guten Vorzeichen als Erzieher dem teuren Königssohn folgte. Ringsum drängten sich sämtliche Diener, Trojaner, auch Frauen Trojas, zum Zeichen der Trauer mit aufgelöst wallenden Haaren. Als durch den ragenden Eingang Aeneas ins Innre des Hauses trat, erhoben sie gellend ihr Schreien empor zu den Sternen, schlugen die Brüste; die Burg widerhallte von schmerzlichem Stöhnen. Schneeweiß das Antlitz des Pallas, der Kopf gestützt auf ein Kissen, zart noch die Brust mit der Wunde, die unter ausonischem Speerwurf aufklaffte: Dieser Anblick bewegte Aeneas zu Tränen. »Hat dich Fortuna mißgönnt mir, du armer Junge, trotz ihres heiteren Kommens?« so rief er. »Du solltest mein Reich nicht mehr sehen, nicht mehr in siegreicher Rückkehr die Wohnstatt des Vaters erreichen! Daß es dir derart erginge, das hatte beim Aufbruch ich deinem Vater gewiß nicht verheißen, als er mit fester Umarmung mich in den Kampf um die Herrschaft entließ und sorgenvoll mahnte: seien doch Helden aus hartem Geschlecht im Kampf zu bezwingen. Heute noch spricht er vielleicht, getäuscht von grundloser Hoffnung, fromme Gelübde und häuft auf Altären reichliche Gaben, während wir schon den Leichnam des Jungen, der keinem der Götter etwas mehr schuldet, traurig mit fruchtlosen Ehren geleiten. Armer, du wirst den entseelten Körper des Sohnes erblicken! Dies ist unsere Heimkehr, unser erhoffter Triumphzug? Dies mein gegebenes Wort? Doch keineswegs schändliche Wunden siehst du am Sohn, Euander, du brauchst nicht den Tod dir zu wünschen, um zu entgehen der Schmach, daß der Sohn überlebte! Ach, welche Stütze verliert Ausonien, welche auch du, mein Iulus!« Nach der Klage ließ er den mitleiderregenden Leichnam aufheben, gab ihm noch tausend aus allen Truppen erwählte Männer mit auf den Weg, ein Ehrengeleit auf dem letzten Gang und Genossen der Trauer des Vaters, für diesen ein karger Trost im entsetzlichen Schmerz, doch Pflicht gegenüber dem Greise. Andere flochten voll Eifer aus Erdbeerbaumzweigen und schlanken Ruten des Eichbaums ein weiches Lager als Bahre und wölbten sorglich darüber ein Schutzdach aus schattenspendenden Blättern. Hoch auf das ländliche Polster bettete jetzt man den Jüngling. Ebenso sehen, gepflückt von Mädchenhand, zarte Levkojen oder auch langsam welkende Schwertlilien aus, die noch immer leuchtende Buntheit der Farben und Schönheit der Form sich bewahren, wenn auch die Mutter Erde nicht länger mit Nahrung sie kräftigt. Nunmehr brachte Aeneas noch zwei Gewänder, die purpurn strahlten und golden; die Königin Dido hatte sie einstmals selber gefertigt, voll Freude am Schaffen, mit eigenen Händen diese Gewebe durchwirkt mit feinen goldenen Fäden. Eines von ihnen legte Aeneas dem Leichnam, als letzte Ehrung, jetzt an, und umhüllte das Haar, das die Flammen verzehren sollten, und häufte noch Beutegut aus dem Kampf um Laurentum, ließ es in langer Reihe als Auszeichnung mitführen, jene Pferde und Waffen dabei, die Pallas den Gegnern entraffte, mit auf den Rücken gefesselten Händen die Feinde - den Schatten wollte er darbringen sie, mit Opferblut tränken die Flammen -, doch an der Spitze des Zuges Pfähle voll feindlicher Waffen, daran geheftet die Namen derer, die kämpfend sie trugen. Mitgeführt ward auch der arme Akoites, geschwächt schon vom Alter, schlug mit den Fäusten die Brust sich, zerkratzte dann wieder mit seinen Nägeln das Antlitz, warf sich zuweilen auch lang auf die Erde. Kampfwagen rollten im Zuge, vom Rutulerblute besudelt. Schmucklos stapfte das Streitroß Aithon einher, in den Augen Tränen, die ihm in großen Tropfen das Antlitz benetzten. Lanze und Helm auch des Toten trug man, das andre gehörte Turnus, dem Sieger. Dann folgten in Trauerkolonne vollzählig Teukrer, Tyrrhener, Arkader, die Waffen umgekehrt tragend. Eine beträchtliche Strecke lang rückten sie vor, bis Aeneas anhielt und bitterlich stöhnend den Abschiedsgruß aussprach: »Die gleiche schreckliche Kriegsnot ruft uns von hier aus zurück zur Bestattung anderer Toter. Sei ewig gegrüßt mir, du teurer Held Pallas, lebe auf ewig mir wohl!« Er sprach nicht weiter, er wandte wieder den hohen Wällen sich zu und begab sich ins Lager.“ Macht euch gefaßt auf die weiteren Kämpfe, erwartet sie mutig: Wenn uns die Götter ermächtigen, unter den Feldzeichen unsre Mannschaft in Marsch zu setzen, dann sollte uns nicht Überraschung lähmen, nicht furchtsame Stimmung am raschen Handeln uns hindern. Laßt uns inzwischen ins Erdreich betten die toten Gefährten, einziges Ehrenrecht, das uns die Tiefe des Acheron einräumt. Auf denn, die Seelen der Helden ehrt mit den letzten Geschenken, sie, die mit ihrem Blute das Vaterland neu uns erwarben! Pallas vor allem geleitet zur trauernden Stadt des Euander; trotz der bewiesenen Tapferkeit raffte des Unheils tiefdunkler Tag ihn dahin und ließ ihn erlöschen in grausamem Tode.« Derart sprach er in Tränen und kehrte zurück zu dem Hause, wo der betagte Akoites neben dem Leichnam des Pallas treulich wachte, der Alte, der dem Parrhasier Euander einstmals die Waffen nachtrug, dann unter weniger guten Vorzeichen als Erzieher dem teuren Königssohn folgte. Ringsum drängten sich sämtliche Diener, Trojaner, auch Frauen Trojas, zum Zeichen der Trauer mit aufgelöst wallenden Haaren. Als durch den ragenden Eingang Aeneas ins Innre des Hauses trat, erhoben sie gellend ihr Schreien empor zu den Sternen, schlugen die Brüste; die Burg widerhallte von schmerzlichem Stöhnen. Schneeweiß das Antlitz des Pallas, der Kopf gestützt auf ein Kissen, zart noch die Brust mit der Wunde, die unter ausonischem Speerwurf aufklaffte: Dieser Anblick bewegte Aeneas zu Tränen. »Hat dich Fortuna mißgönnt mir, du armer Junge, trotz ihres heiteren Kommens?« so rief er. »Du solltest mein Reich nicht mehr sehen, nicht mehr in siegreicher Rückkehr die Wohnstatt des Vaters erreichen! Daß es dir derart erginge, das hatte beim Aufbruch ich deinem Vater gewiß nicht verheißen, als er mit fester Umarmung mich in den Kampf um die Herrschaft entließ und sorgenvoll mahnte: seien doch Helden aus hartem Geschlecht im Kampf zu bezwingen. Heute noch spricht er vielleicht, getäuscht von grundloser Hoffnung, fromme Gelübde und häuft auf Altären reichliche Gaben, während wir schon den Leichnam des Jungen, der keinem der Götter etwas mehr schuldet, traurig mit fruchtlosen Ehren geleiten. Armer, du wirst den entseelten Körper des Sohnes erblicken! Dies ist unsere Heimkehr, unser erhoffter Triumphzug? Dies mein gegebenes Wort? Doch keineswegs schändliche Wunden siehst du am Sohn, Euander, du brauchst nicht den Tod dir zu wünschen, um zu entgehen der Schmach, daß der Sohn überlebte! Ach, welche Stütze verliert Ausonien, welche auch du, mein Iulus!« Nach der Klage ließ er den mitleiderregenden Leichnam aufheben, gab ihm noch tausend aus allen Truppen erwählte Männer mit auf den Weg, ein Ehrengeleit auf dem letzten Gang und Genossen der Trauer des Vaters, für diesen ein karger Trost im entsetzlichen Schmerz, doch Pflicht gegenüber dem Greise. Andere flochten voll Eifer aus Erdbeerbaumzweigen und schlanken Ruten des Eichbaums ein weiches Lager als Bahre und wölbten sorglich darüber ein Schutzdach aus schattenspendenden Blättern. Hoch auf das ländliche Polster bettete jetzt man den Jüngling. Ebenso sehen, gepflückt von Mädchenhand, zarte Levkojen oder auch langsam welkende Schwertlilien aus, die noch immer leuchtende Buntheit der Farben und Schönheit der Form sich bewahren, wenn auch die Mutter Erde nicht länger mit Nahrung sie kräftigt. Nunmehr brachte Aeneas noch zwei Gewänder, die purpurn strahlten und golden; die Königin Dido hatte sie einstmals selber gefertigt, voll Freude am Schaffen, mit eigenen Händen diese Gewebe durchwirkt mit feinen goldenen Fäden. Eines von ihnen legte Aeneas dem Leichnam, als letzte Ehrung, jetzt an, und umhüllte das Haar, das die Flammen verzehren sollten, und häufte noch Beutegut aus dem Kampf um Laurentum, ließ es in langer Reihe als Auszeichnung mitführen, jene Pferde und Waffen dabei, die Pallas den Gegnern entraffte, mit auf den Rücken gefesselten Händen die Feinde - den Schatten wollte er darbringen sie, mit Opferblut tränken die Flammen -, doch an der Spitze des Zuges Pfähle voll feindlicher Waffen, daran geheftet die Namen derer, die kämpfend sie trugen. Mitgeführt ward auch der arme Akoites, geschwächt schon vom Alter, schlug mit den Fäusten die Brust sich, zerkratzte dann wieder mit seinen Nägeln das Antlitz, warf sich zuweilen auch lang auf die Erde. Kampfwagen rollten im Zuge, vom Rutulerblute besudelt. Schmucklos stapfte das Streitroß Aithon einher, in den Augen Tränen, die ihm in großen Tropfen das Antlitz benetzten. Lanze und Helm auch des Toten trug man, das andre gehörte Turnus, dem Sieger. Dann folgten in Trauerkolonne vollzählig Teukrer, Tyrrhener, Arkader, die Waffen umgekehrt tragend. Eine beträchtliche Strecke lang rückten sie vor, bis Aeneas anhielt und bitterlich stöhnend den Abschiedsgruß aussprach: »Die gleiche schreckliche Kriegsnot ruft uns von hier aus zurück zur Bestattung anderer Toter. Sei ewig gegrüßt mir, du teurer Held Pallas, lebe auf ewig mir wohl!« Er sprach nicht weiter, er wandte wieder den hohen Wällen sich zu und begab sich ins Lager.“ ….. Euander, der alte Vater, warf sich weinend über den Leichnam seines Sohnes; Aeneis 11,143ff: „Fama bereits, als geflügelte Vorbotin schrecklichen Leides, hatte Euander erreicht und Euanders Wohnung und Hauptstadt, meldete, Pallas hätte vor kurzem besiegt die Latiner. Hin zu den Toren eilten sogleich die Arkader und ließen Fackeln nach uralter Sitte auflodern. Langhin erstrahlte flammend der Weg, warf beiderseits flackernden Glanz auf die Felder. Jenseits erschien die Abteilung der Phryger, vereinte mit ihren Scharen den trauernden Zug. Als die Mütter ihn anrücken sahen, nahe den Häusern, durchraste ihr Schreien die trauernde Hauptstadt. Keine Gewalt vermochte Euander zu halten, er stürzte unter die Menge. Aufgebahrt stand dort Pallas. Der Vater warf auf den Toten sich, hielt ihn umklammert mit Tränen und Seufzen; spät erst erlaubte sein Leid der Stimme den Ausdruck des Schmerzes: »Pallas, du hattest nicht solch ein Versprechen dem Vater gegeben! Solltest dem wütenden Mars mit größerer Vorsicht dich weihen! Wußte ich doch ganz genau, was ein frisch erworbener Kampfruhm, was die verlockende Ehre im ersten Treffen bedeutet! Leidvolle erste Bewährung des Jungen! Zu furchtbarer Probe gleich in dem Krieg mit dem Nachbarvolk! Meine heißen Gelübde, die ihr nicht annahmt, ihr Götter! Du, meine hochheilige Gattin, der doch ein glücklicher Tod den entsetzlichen Kummer ersparte! Ich überbot durch mein Leben mein Schicksal, ich mußte als Vater übrigbleiben, allein! Ach, hätten die Rutulerspeere mich überschüttet auf seiten der Troer, tödlich durchbohrt mich: Brächte der Trauerzug dann mich selber, nicht Pallas, nach Hause! Keine Schuld gebe ich euch, ihr Trojaner, auch nicht dem Vertrage, den wir durch Handschlag besiegelten. Dieser Schicksalsschlag sollte mich noch im Alter treffen! Und raffte der Tod auch zu zeitig fort mir den Sohn, so tröstet mich eines: Tausende Volsker fielen noch vor ihm, als er die Teukrer nach Latium führte! Höhere Ehren könnte ich dir nicht erweisen, mein Pallas, als der fromme Aeneas, die phrygischen Helden, die Fürsten auch der Tyrrhener und alle tyrrhenischen Krieger es taten. Herrliche Beute bringen sie, die du Gefallenen abnahmst. Du auch ragtest zur Stunde als riesiger Baumstamm, mit Waffen völlig umkleidet, Turnus, wäre an Alter und Kräften er dir gewachsen gewesen. Doch halte ich Armer die Teukrer nur noch vom Kampfe zurück. Auf, ausrichten mögt ihr dem König: Wenn nach dem Tode des Pallas ich weiter mein leidiges Leben trage, so deshalb, weil deine Rechte dem Sohn wie dem Vater die Erlegung des Turnus schuldet - du siehst es ja selber! Dieses nur fehlt dir an Leistung und Glück noch. Ich suche nicht schmählich Frieden für mich - ich will sie dem Sohn in den Orkus nur bringen.« [Vergil: Lied vom Helden Aeneas. Dichtung der Antike von Homer bis Nonnos, S. 17979 (vgl. Vergil-W, S. 412 ff.) (c) Aufbau-Verlag] 2. Einer der Söhne des Priamos; Apollodor 3,153. 3. Athener, Vater des Jünglings Antimachos, der mit anderen dem Minotauros in Kreta zum Fraß vorgeworfen hätte sollen, aber von Theseus befreit und dem Vater zurückgebracht wurde; Serv. Vergil Aen. 6,21. 4. Sohn des Sarpedon 1, König von Lykien. Er galt aber auch als Gatte der Deidameia 3, der Tochter des Bellerophontes, und Vater von Sarpedon 2; Diodoros 5,79,3. Auch als Sohn des Sarpedon 2 wird er genannt. …..