Die vorliegende Fassung der Texte ist nicht redigiert! Informationen dazu finden sie hier.
kentauren
KENTAUREN Söhne des Kentauros und der magnesischen Stuten. Erstmals literarisch erwähnt, aber noch ohne sie Kentauren, sondern nur „Ungeheuer der Berge“, zu nennen, in Homers Ilias 1,268ff: „Männer wie sie erblickte seither ich noch nie, und ich werde sie auch nicht sehen - Peirithoos - Dryas, den Hirten der Völker - Kaineus - Exadios - und Polyphemos, so stark wie die Götter - Theseus, den Sohn des Aigeus, der den Unsterblichen gleichkam! Zweifellos waren diese die kräftigsten Erdenbewohner; selber die Stärksten, maßen sie sich mit den Stärksten im Kampfe, Ungeheuern der Berge, und brachten sie schrecklich zu Tode.“ [Homer: Ilias. Dichtung der Antike von Homer bis Nonnos, S. 4630 (vgl. Homer-W Bd. 1, S. 10 ff.) (c) Aufbau-Verlag] Der von Pindar als Mensch gedachte Kentauros begattete die magnetischen Stuten des Pelion und zeugte mit ihnen die Kentauren; Pindar Pythische Oden II,22ff: „Durch der Götter Befehle wird Ixion, so sagen sie, auf geflügeltem Rade rundum gewälzt und sagt den Sterblichen: »Dem Wohltäter begegne mit freundlicher Wiedervergeltung und lohne es ihm!« Er hat es deutlich gelernt. Denn als er bei den gütigen Kroniden ein angenehmes Leben empfangen, ertrug er nicht das lange Glück, weil er mit rasendem Sinn Heras begehrte, die für Zeus' freudereiches Bett bestimmt war. Aber ihn trieb Frevelmut in überhohes Unglück. Schnell erlitt, was ihm gebührte, der Mann und empfing ausnehmende Qual. Diese zwei Vergehen bringen ihm Mühsal: einmal, weil er der erste Held war, der verwandtes Blut nicht ohne Tücke vergossen hat unter den Sterblichen, dann, weil er einst in den großräumigen Kammern des Zeus Gemahlin versuchte. Es ist not, sich selber gemäß stets von allem zu sehen das Maß. Vom Rechten abirrender Beischlaf warf schon oft in ungeheures Übel. Auch auf ihn kam es. Denn bei einer Wolke lag er, einem süßen Trug nachjagend, der unwissende Mann: denn an Gestalt glich sie der erhabensten Tochter des Uraniden Kronos; diese hatten ihm als List geschaffen die Hände des Zeus, ein schönes Weh. Und die vierspeichige Fessel erwirkte er, sein Verderben. In unentfliehbare Bande gefallen nahm er an seinen allgültigen Spruch. Ohne die Chariten gebar ihm einen übermütigen Sproß, einen einzigartigen die einzigartige, der weder bei Männern geehrt ist noch in der Götter Gesetzen. Den zog sie auf und nannte ihn Kentauros, und er gattete sich mit den magnesischen Rossen an des Pelion Ferse. Daraus wurde ein wunderliches Volk, ähnlich beiden Eltern: nach Mutter Art von unten, von oben nach dem Vater. [Pindar: Pythien. Dichtung der Antike von Homer bis Nonnos, S. 9341 (vgl. Pindar-D, S. 76 ff.) (c) Insel-Verlag] Diodorus Siculus 4,69,7 erzählt irrend, dass Stilbe 1 mit Apollon den Kentauros und den Lapithes in die Welt gesetzt habe (einige nennen auch andere Väter). ………. Diese Kentauren waren wilde Naturdämonen, halb Pferd, halb Mensch, Wesen, mit denen die Menschen frühester Epochen in ihren Vorstellungen und ihrer regen Phantasie die ganze Natur füllten. Ebenso waren sie Personifikationen der unwegsamen Gebirge, der verheerenden Natur der Wildbäche, der dichten Wälder mit wilden Tieren – in Summe, die elementaren Ängste der Menschen, sichtbar und damit begreifbar gemacht in der Form dieser Wesen, die von einem Wilden, der mit Pferden geschlechtlich verkehrte, gezeugt wurden. ….. Vorgekommen sind diese Wilden nur in Mittelgriechenland, in Thessalien, Arkadien und den angrenzenden Gebieten. Im Westen (Sizilien, Italien) und im Osten (östliche Inseln, heutige Türkei) waren sie unbekannt. ….. In der Geschichte der vierten Arbeit des Herakles, „Der Eber von Erymanthos“, wird erzählt: Eurystheus beauftragt Herakles, den Eber, der beim Erymanthos-Gebirge im Nordwesten Arkadiens sein Unwesen treibt, lebend einzufangen. In einem Wald am Fuße des Gebirges, in diesem Gebiet lebten die Kentauren, traf er Pholos, eines dieser Halb-Tier-Halb-Mensch-Wesen, der ihn freundlich in seine Höhle einlud und mit einem guten Braten bewirtete. Chiron, der weise alte Kentaur war auch anwesend. Pholos war der Bewahrer eines großen Pithos, voll des Weines, ein Gemeinschaftsgut aller Kentauren und Geschenk des Dionysos. Ein gefährliches Geschenk, denn die Kentauren kannten die Wirkung des Weines nicht. Pholos setzte widerrechtlich seinem Gast einen Becher des Weines vor. Die Kentauren rochen den Rebensaft, stürmten wild herbei und tranken den Wein aus. Berauscht und ungestüm fielen sie über Herakes her. Herakles erschlug einige, die Flüchtenden tötete er mit seinen vergifteten Pfeilen. Ein Pfeil durchbohrte Elatos und verletze den göttlichen Chiron (siehe Chiron >). Der gute Pholos nahm einen Pfeil in die Hand, verletzte sich und starb an dem tödlichen Gift. Herakles bestattete nur ihn. In den alten Sagen stehen die Kentauren den Menschen oft kämpfend gegenüber; z. B. bei der Hochzeitsfeier von Peirithoos und Hippodameia 2. Die Unbeherrschtheit der vom Weine total betrunkenen Kentauren, sie vergriffen sich an Frauen und Knaben, führte zum Kampf zwischen den Kentauren und den Lapithen. Die Kentauren wurden besiegt und verjagt – myth. Parallele zum Kampf der Griechen gegen barbarische Stämme, zum Sieg der Kultur gegen die unberechenbare Wildheit. ......... Zur Bewältigung der sich aus der Natur ergebenden Ängste mussten die Menschen frühester Epochen diesen Phänomenen Namen geben, sie personifizieren, um diese Gewalten seelisch-geistig zu beherrschen und ihnen nicht ohnmächtig ausgeliefert zu sein. Die Kentauren, als Personifizierung dieser elemantaren Ängste, sind Paradefall und werden nicht umsonst von einem „göttlichen Menschen“, Herakles, besiegt – sprich: Wenn Urängste mit Namen benannt werden, wenn sie durch Personifizierung sichtbar werden, dann können sie mit „göttlicher Unterstützung“, Glauben, Wissen und dem Bewusstsein der eigenen Stärke, bewältigt werden. Damit wird ein Leben ohne ständige Angst möglich – die Geburtsstunde der Mythen. Siehe dazu: Hans Blumenberg, Arbeit am Mythos. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1979. Namen der in der Literatur vorkommenden Kentauren: Kyllaros; Ovid met. 12,393ff. 401. Latreus; Ovid met. 12,463ff. Pholos; Sohn einer Melia und eines Seilenos, Bruder des Dolion. Monychos 2; Ovid met 12,499. Oroibios; Name eines Kentauren auf einem Gefäß des Klitias Ergotimos. …………………………. Bei Nonnos Dionysiaka 5,611ff wurde Zeus, als er Aphrodite lüstern verfolgte, zum Vater der Kentauren. Dadurch, dass er seine Spermien auf den Boden spritzte und die Kentauren aus der Erde wuchsen, wurde Gaia zur Mutter: „Einmal auch wollte das Mädchen im glühenden Dunste der trocknen Hitze zum Mittag dem lastenden Schritt der dörrenden Stunde ausweichen. Sie unterbrach die mühsame Arbeit am Webstuhl, wischte die rinnenden Schweißtropfen sich von der Stirne und löste jene straff sitzende Binde, die sittsam den Busen verhüllte, wandte sich ab von dem Garn, das am Webstuhl der Pallas herabhing, eilte zum kühlenden Rinnsal der Quelle und netzte die Glieder mit dem erquickenden Naß. Sie entging nicht den spähenden, alles deutlich erfassenden Blicken des Zeus. Er konnte geruhsam Persephoneias entblößten Körper beim Baden betrachten. Rasende Liebe ergriff ihn, stärker als damals zu Kypris, als er, vergeblich bemüht, den Samen ins Erdreich nur streute, ausstieß den ungestüm drängenden heißen Schaum der Eroten. Damals erblühte im hörnerreichen, nährenden Kypros zweigestaltig der Stamm der stattlich gehörnten Kentauren.“ [Nonnos: Leben und Taten des Dionysos. Dichtung der Antike von Homer bis Nonnos, S. 8182 (vgl. Nonnos-W Bd. 1, S. 94 ff.) (c) Aufbau-Verlag] ….. Es gab auch weibliche Kentauren, die Kentaurides. Eine von ihnen war Hylonome.