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neoptolemos
NEOPTOLEMOS Sohn des Achilleus und der Deidameia 1, Gemahl von Leonassa / Lanassa, Andromache 1 und Hermione. Von Leonassa soll er Vater von Pyrrhos 3, Argos 21, Pergamos, Pandaros 2, Eraos, Genoos, Chaunos und Dorieus 2 sein. Andromache 1 soll ihm die Kinder Pielos, Pergamos, Ampjialos 1, Molossos und Dorieus 2 geboren haben. Nach Rhianos, bei Stephanos Byzantios, soll Neoptolemos auch der Vater des Ethnestes, des Stammvaters der Ethnesten, gewesen sein. ….. Neoptolemos heißt „junger Krieger“, weil er bereits als Knabe in den troianischen Krieg zog. Er wird auch Pyrrhos genannt. ….. Als Thetis ihren noch knabenhaften Sohn Achilleus am Hofe des Lykomedes 1 in Mädchenkleidung versteckte (lies Achilleus >), zeugte der offensichtlich Frühreife mit Deidameia 1, einer Tochter des Lykomedes, Neoptolemos. Der aus dieser Beziehung entsprossene Knabe wurde am Hofe des Lykomedes aufgezogen. Erstmals literarisch erwähnt wird er in Homers Ilias 19,326: „Kein schlimmeres Unheil kann ich mir denken, selbst nicht die Nachricht vom Tode des Vaters, der heute in Phthia bittere Tränen vergießt um das Fernsein des kraftvollen Sohnes, wie er in mir ihn besitzt - doch muß in der Fremde ich kämpfen gegen die Troer, um der entsetzlichen Helena willen! -, oder vom Tode des teuren Sohns, der in Skyros mir aufwächst. Ob er denn wirklich noch lebt, Neoptolemos, schön wie die Götter?“ [Homer: Ilias. Dichtung der Antike von Homer bis Nonnos, S. 5259 (vgl. Homer-W Bd. 1, S. 372) (c) Aufbau-Verlag] ….. Nach dem Tod seines Vater, Paris hatte ihn an seiner verwundbaren Ferse mit einem vergifteten von Apollon gelenkten Pfeil tödlich getroffen, weissagte der gefangene Seher Helenos, ein Sohn des Priamos, dass Troia nur dann genommen werden könne, wenn drei Ereignisse einträten: Philoktetes, der den Bogen und die Pfeile des Herakles besaß, und Neoptolemos müssten vor Troia kämpfen und die Gebeine des Pelops müssten vor Troia gebracht werden. Man brachte die Gebeine, überredete Philoktetes (lies Philoktetes >) und holte den Knaben. Neoptolemos, so wurde erzählt, soll neun Jahre alt gewesen sein, als er mit der Zusage die Rüstung seines Vaters und nach dem Krieg Hermione, die Tochter der Helena, zur Frau zu bekommen, nach Troia in den Krieg zog. Vor Troia erwies er sich, noch Knabe, als kühner, brutaler und unbarmherziger Krieger. Er tötete Eurypylos 3, Koroibos und viele Troianer, darunter Antenor und war Insasse des Hölzernen Pferdes. Odysseus erzählt im Hades dem Schatten des Achilleus von den Taten seines Sohnes: „Über deinen geliebten Sohn Neoptolemos aber will ich ganz wahrheitsgemäß, nach deinem Wunsch, dir berichten. Selber brachte ich ihn im geräumigen, schaukelnden Schiffe zu den vorzüglich gewappneten Griechen von Skyros herüber. Hielten vor Troja wir Kriegsrat, ergriff Neoptolemos immer unter den ersten das Wort und sprach auch sicher und treffend; nur der göttliche Nestor und ich übertrafen den Helden. Kämpften wir auf dem Schlachtfeld von Troja mit mordendem Erze, blieb Neoptolemos niemals im dichten Haufen verborgen, sondern stürmte voraus, an Tapferkeit niemandem weichend, und erlegte zahlreiche Gegner im Toben der Feldschlacht. Sämtliche Feinde vermag ich nicht bei Namen zu nennen, die dein Sprößling darniederstreckte im Kampf für die Griechen. Wie gewaltig war doch, zum Beispiel, der Telephide, Held Eurypylos, den er erschlug - und viele Keteier fielen um ihn, der Preis des Geschenks, das ein Weib einst erhalten! Stattlichster Gegner war er nächst dem göttlichen Memnon. Als in das hölzerne Pferd wir stiegen, den Bau des Epeios, wir, die tapfersten Griechen, und mir die Verantwortung oblag über das Öffnen und Schließen unseres festen Versteckes, wischten die andern Gebieter und Feldherrn der Danaer Tränen sich von den Wangen, und jedem schlotterten angstvoll die Glieder. Bei Neoptolemos aber sah ich weder das frische Antlitz erblassen, noch daß er sich je von den Wangen die Tränen abwischte; dringend bat er mich wieder und wieder, ich solle aus dem Pferde ihn steigen lassen, er packte den Schwertgriff und die eherne Lanze und sann Verderben den Troern. Als wir die ragende Festung des Priamos ausgetilgt hatten, ging er an Bord mit der Beute und reichen Ehrengeschenken, ohne Verletzung, weder von Pfeilen und Speeren getroffen noch im Nahkampf verwundet, wie es im Kriege so vielfach eintritt; denn wahllos wütet der grimmige Blutsauger Ares.' Derart sprach ich. Da ging die Seele des schnellen Achilleus mit gewaltigen Schritten hinab zur Asphodeloswiese, freudig bewegt, weil ich vom Ruhme des Sohns ihr berichtet.“ [Homer: Odyssee. Dichtung der Antike von Homer bis Nonnos, S. 5742 (vgl. Homer-W Bd. 2, S. 178 ff.) (c) Aufbau-Verlag] ….. Beim Fall von Troia ermordete er Priamos brutal am Altar des Zeus, schleppte den Leichnam an den Strand und schlug ihm den Kopf ab. Er tötete den kleinen Astyanax, den Sohn des Hektor, und warf den Leichnam des Kindes von der Stadtmauer. Als der Geist seines Vaters das Blut der Priamostochter Polyxena verlangte, schleppte er sie zum Grab des Achilleus und durchschnitt ihr die Kehle. Die Mutter des ermordeten Astyanax, Andromache, die Witwe des Hektor, nahm er als Beute, heiratete sie und zeugte mit ihr Molossos, den Stammvater der späteren Molosserkönige, Pielos, Pergamos, Amphialos 2 und Dorieus 2. ….. Die Ereignisse in seinem Leben nach Troia werden von vielen Schriftstellern, zum Teil völlig abweichend, erzählt. Während die einen ihn auf dem Landweg nach Phthia in die Heimat seines Vaters zurückkehren lassen, erzählen andere, dass seine Großmutter Thetis ihm aus dem Meer erschien, vor dem Landweg warnte und ihn bewog, erst vier Tage nach der dem Untergang geweihten Hauptflotte der Achaier zurück zu segeln. Nach einer recht zuverlässigen Überlieferung kam er, bevor er in die Heimat zurückkehrte, in Begleitung des Sehers Helenos nach Epeiros an der Adriaküste, besiegte das dort lebende Volk, das später nach seinem Sohn Molossos die Molosser genannt wurde, und war einige Jahre König in der Hauptstadt Ephyra. ….. Neoptolemos, der ja auch Pyrrhos genannt wurde, gründete mit den acht Kindern der Leonassa / Lanassa die Dynastie der Pyrrhiaden, aus der im 4. Jh. v. Chr. die Mutter Alexanders des Großen, Olympia, hervorging (Die Überlieferungen über die Gattinnen Andromache, Leonassa / Lanassa und Hermione und ihren Kindern werden von den Schriftstellern und Genealogen sehr unterschiedlich wiedergegeben.). Als er nach Phthia zurückkehrte, soll er Andromache dem Helenos zur Frau gegeben und die ihm versprochene Hermione verlangt haben. Hermione war aber bereits die Gattin des Orestes, mit dem Neoptolemos natürlich in Streit geriet. Euripides berichtet in seiner „Andromache“ gegensätzlich. Bei ihm war Neoptolemos bereits mit Hermione verheiratet und brachte die Kriegsbeute Andromache als Zweitfrau in den Palast in Phthia. ….. Diese Fortsetzung des Streites der Väter, Achilleus gegen Agamemnon, ist von den Dichtern und Mythographen sehr verschieden behandelt worden. Nach einer der vielen Versionen soll Menelaos dem nach der Ermordung seiner Mutter wahnsinnig gewordenen Orestes Hermione weggenommen und mit Neoptolemos verheiratet haben. Am Ende steht immer die Ermordung des Neoptolemos im Auftrag oder durch die Hand des Orestes. …….. Eine andere Version erzählt, dass Neoptolemos nach Delphi ging um sich am Orakel des Apollon für die Schmach, dass Apollon den vergifteten Pfeil des Paris in die verwundbare Ferse des Achilleus lenkte, zu rächen. Er habe die Tempelschätze geraubt und Feuer an den Tempel gelegt. Die entsetzten Delphier töteten ihn für dieses Vergehen. Philoxenidas und Machaireus werden zwei seiner Mörder genannt. Nach Euripides Andromache ging Neoptolemos nach Delphi, um für eine frühere Beleidigung des Gottes Buße zu tun. Orestes verbreitete aber ein übles Gerücht und Neoptolemos wurde von den Delphiern am Altar des Gottes, genau so, wie er Priamos am Altar des Zeus abgeschlachtet hatte, grausam ermordet; Pausanias 10,24,4: „Man kann hier auch einen Opferaltar sehen, auf dem der Priester des Apollon den Neoptolemos, den Sohn des Achilleus, tötete.“ ….. Der Fluch des Priamos hatte sich erfüllt; Vergil, Aeneis 2,532ff,: „Doch kaum hat Polites sich unter das Angesicht seiner Eltern gerettet, bricht er zusammen und gibt unter einem Strom von Blut sein Leben auf. Jetzt hielt sich Priamos, obgleich ihn der Tod schon umzingelte, dennoch nicht länger zurück. Er schonte seine Stimme nicht, noch bezwang er seine Wut. „Möge für deine Untat“, rief er aus, „für dieses Verbrechen die Götter dir, wenn im Himmel noch Gerechtigkeit ist, die derlei ahndet, würdigen Dank erweisen und den verdienten Lohn zahlen dafür, daß du mich zwangst, meinen Sohn sterben zu sehen, daß du des Vaters Angesicht mit seinem Tod besudelt hast . Nicht einmal jener, dessen Sohn du dich lügnerisch nennst, Achilles, handelte so an seinem Feind Priamus. ……..“. …… Pyrrhus erwiderte: „Das kannst du gleich noch einmal erzählen, gleich wirst du als Bote zu dem Peliden, meinem Vater, gehen. Vergiß nicht zu berichten meine traurigen Taten und wie entartet Neoptolemos ist. Jetzt stirb!“ Während er dies schrie, schleifte er den Zitternden, der ausglitt im Blutstrom des Sohnes, hin zum Altar und umwickelte die Linke mit dem Haarschopf, und mit der Rechten zückte er das Schwert und senkte ihm die Klinge tief bis zum Griff in die Seite.“ ….. Dieses Beispiel poetischen Gerechtigkeit wurden unter den Begriff „Bestrafung des Neoptolemos“ bekannt. ….. Manche erzählen, dass die sterblichen Reste des Neoptolemos im Gebiet von Ambrakia in Epeiros verstreut wurden. Gewöhnlich wird überliefert, dass er von seinem Großvater Peleus in Delphi im Bereich des Heiligtumes des Apollon bestattet, sein Grab aber mit Verachtung behandelt wurde; Euripides Andromache: CHOR. Oh! Oh! Was bewegt sich da? Welch göttliches Wesen erspähe ich? Blickt hin, ihr Frauen, schaut es euch an! Da, ein Daimon schwebt durch die strahlende Luft und setzt seinen Fuß auf den rosseernährenden Boden von Phthia! THETIS erscheint. Um unsres alten Ehebundes willen, Peleus, bin ich gekommen, Thetis, vom Palast des Nereus. Zuerst will ich dich mahnen: Trage an dem Unglück, das dich getroffen hat, nicht allzu schwer! Auch ich, die ihre Kinder nicht zum Schmerz gebären sollte, verlor den Sohn, den ich geboren dir, den schnellen Achilleus, ihn, den ersten Helden Griechenlands! Weshalb ich kam, will jetzt ich sagen. Hör mir zu! Zum pythischen Altare mach dich auf und senke den toten Sprößling des Achilleus dort ins Grab, damit, zur Schmach den Delphiern, das Grabmal künde vom frevlen Mord, den des Orestes Hand verübt. Die kriegsgefangne Frau jedoch, Andromache, soll im Molosserland die Heimat finden, Greis, nachdem mit Helenos die Ehe sie geschlossen, und auch ihr Sohn, der vom Geschlecht des Aiakos allein noch übrigblieb. Aus seinem Blute sollen die Könige Molossias einander folgen, vom Glück gesegnet. Denn es darf hier dein und mein und Trojas Stamm nicht untergehen, greiser Held. [Euripides: Andromache. Dichtung der Antike von Homer bis Nonnos, S. 3119 (vgl. Euripides-W Bd. 1, S. 234 ff.) (c) Aufbau-Verlag] ….. Beim Einfall der Galater im Jahre 278 v. Chr. traten bei der Verteidigung von Delphi den Feinden drei Schreckensgestalten entgegen, unterstützten die Delphier und erreichten den Sieg: Hyperochos und Amadokos von den Hyperboreern und Pyrrhos, der Geist des Neoptolemos. Erst jetzt wurde ein Heroenkult für ihn eingerichtet. …….. In der Literatur spielt Neoptolemos eine große Rolle. Trotz seiner zum Teil blutrünstigen Taten wird ihm bis zur Gegenwart mit Sympathie begegnet. Großen Anteil daran hat Sophokles mit seiner Darstellung des Neoptolemos im „Philoktet“. Ein vornehmer junger Held, der, im Gegensatz zu Odysseus, zu keiner Falschheit fähig ist, körperlich und seelisch wohl geraten, rein und edel, ein tüchtiger junger Mann der das Höchste, Schönste und Begeisterndste verkörperte, das es nach damaliger Sicht auf der Erde gab, den Mythos seines Vaters Achilleus. Nur – die Zeiten haben sich geändert, Christa Wolf nennt heute in ihrer „Kassandra“ den Achilleus nur: „Achill, das Vieh!“ ---------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Galileo Galilei bei Bertold Brecht: „Unglücklich das Land, das Helden nötig hat“. ------------------------------------------------------------------------------------------------ Auf Vasen und Reliefs sind Szenen aus seinem Leben erhalten. Statuen von ihm gibt es keine.