eine gesamtgenealogie der griechisch-mediterranen mythologie
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sinon
SINON „Schädling“. Sohn des Aisimos. Er war der verschlagene Lügner, der mit seinen Geschichten die Troier dazu brachte, das hölzerne Pferd in die Stadt zu ziehen; Vergil Aeneis 2,57ff: „Doch währenddessen schleppten dardanische Viehhüter einen Mann mit rücklings gefesselten Händen herbei. Triumphierend schrien sie. Freiwillig hatte der Unbekannte sich ihnen eben gestellt, in der Absicht, Troja den Griechen zu öffnen, zuversichtlich, auf beides gefaßt: Mit Hinterlist seine Rolle zu spielen - oder den sicheren Tod zu erleiden. Schaulustig strömten von allen Seiten herbei die Trojaner, drängten sich um den Gefangenen, höhnten ihn laut um die Wette. Hör, was die Griechen voll Tücke geplant - vom Verbrechen des einen schließ auf sie alle! Waffenlos stand er und scheinbar verwirrt, durchbohrt von den Blicken, in dem Gedränge und schaute umher auf die Scharen der Phryger, rief dann: 'Ach, welches Festland, welch Meer noch bietet mir Zuflucht? Was bleibt mir vom Unglück Geschlagenen schließlich noch übrig? Nirgendwo darf bei den Griechen ich bleiben, und außerdem fordern heftig erbittert die Troer von mir noch blutige Sühne!' Dieses Gejammer beeindruckte jeden, man höhnte nicht länger. Auskunft verlangten wir, wem er entstamme und was er zu bieten habe, worauf er sich endlich, als ein Gefangener, stütze. Da überwand er, so schien es, die würgende Angst und erklärte: 'König, ich werde die Wahrheit dir sagen, was immer auch komme, leugne, fürs erste, auch gar nicht, vom Volk der Argeier zu stammen. Hat schon das Schicksal den Sinon gestürzt in bitteres Elend, soll es ihm trotzdem Charakter und Wahrheitsliebe nicht rauben. Möglicherweise vernahmst du bereits in Gesprächen den Namen des Palamedes, des Enkels des Belos, und hörtest von seinem Ruhme. Zu Unrecht bezichtigten ihn des Verrates die Griechen, ließen aufgrund gefälschter Beweismittel, weil er vom Kriege abriet, ihn hinrichten. Um den Ermordeten trauern sie heute. Sein Gefährte, Verwandter auch, war ich: Ihm hatte mein Vater, der sich nur dürftig durchschlug, mich zugeschickt anfangs des Krieges. Während als Fürst er noch waltete, auch sich im Kriegsrat bewährte, fiel auch auf mich ein Abglanz des großen Namens und Ruhmes. Aber sobald er infolge der tückischen List des Odysseus - eine bekannte Geschichte - vom Reiche der Lebenden ausschied, führte ich, niedergeschlagen und traurig, mein Leben im Dunkeln, litt, aufs tiefste empört, an dem Schicksal des schuldlosen Freundes, konnte auch, töricht, nicht schweigen, gelobte sogar, je nach Lage, wenn nach errungnem Siege ins Heimatland Argos ich kehrte, Rache zu üben. Doch säte ich Haß nur durch solcherlei Reden. Damit begann mein Unglück. Odysseus richtete ständig neue Verleumdungen gegen mich, ließ zweideutige Worte öffentlich fallen, wollte mir, schuldbewußt, Fallstricke spannen. Ununterbrochen wühlte er, bis er mit Hilfe des Kalchas - aber was rühre, vergeblich, ich auf das leidige Übel? Hemme euch nur, wo ihr alle Achaier für gleichwertig einschätzt, euch schon der Name allein genügt? Bestraft mich doch endlich! Das bezweckt ja der Ithaker, lohnen sogar die Atriden!' Aber wir brannten erst recht jetzt darauf, von dem Fall zu erfahren, rechneten nicht mit der schamlosen Schandtat, der griechischen Tücke. Weiterhin spann, mit erheuchelter Angst, er sein Lügengewebe: 'Oftmals schon wünschten die Dánaer einen Abzug von Troja, wollten, erschöpft durch die dauernden Kämpfe, den Feldzug beenden - schade, sie taten es nicht! -, oft hemmten die Stürme des Meeres wütend den Aufbruch, setzte der tobende Süd sie in Schrecken. Vollends nach Bau des aus Ahornhölzern errichteten Pferdes peitschten mit Wolkenbrüchen die Unwetter nieder vom Himmel. Angstvoll entsandten Eurýpylos wir zum Orakel des Phoibos, baten um Auskunft. Vom Tempel brachte er furchtbare Nachricht: 'Widrige Winde habt ihr durch Mädchenblut damals besänftigt, Danaer, als ihr zum Kampf nach den Küsten Ilions aufbracht. Auch für die Rückkehr müßt ihr das Leben eines Argeiers opfern.' Als dieses Orakel unter den Männern bekannt ward, packte Entsetzen sie alle, durchfuhr ein eiskalter Schauder jedem das Mark: Wen wollten sie töten, wen wünschte Apollon? Unter gewaltigem Auflauf stellte Odysseus den Seher Kalchas ganz offen zur Rede, worauf der Wille der Götter eigentlich ziele. Und mancher bezog auf mich schon die böse Tücke des listigen Schurken, durchschaute im stillen die Ränke. Volle zehn Tage lang schwieg der Seher, hielt sich verborgen, weigerte sich, durch Nennung des Namens einen dem Tode preiszugeben. Doch schließlich, laut von Odysseus genötigt, rückte heraus er den Namen des Opfers, wie sie sich verschworen: meinen! Man stimmte ihm zu, es sah mit Zufriedenheit jeder, was er gefürchtet, gelenkt auf das bittere Schicksal des einen. Aber sobald der Unglückstag anbrach und ich mich zum Opfer schon mit gesalzenem Schrotmehl und Binden gerüstet erblickte, da, ich gestehe es, sprengte ich meine Fesseln und konnte knapp mich dem Tode entreißen und barg mich im Schilfgras des Sumpfes, nachtsüber, bis die Flotte in See stach, zweifellos wirklich. Keinerlei Hoffnung blüht mir, die alte Heimat, die lieben Kinder, den innig ersehnten Vater wiederzusehen - denen vielleicht noch die Heimkehrer, weil ich entkam, zur Bestrafung dieses Vergehens den Tod auferlegen, ein schuldloses Sterben! Deswegen, bei den himmlischen Göttern, den Hütern der Wahrheit, bei der niemals befleckten, dem Rechte gewidmeten Treue, bitte, erbarme dich meines entsetzlichen Unglücks, erbarme dich des vom Schicksal grausam Verfolgten, der unschuldig leidet!' Für das Gejammer erhielt er sein Leben geschenkt und errang sich außerdem unser Mitgefühl. Priamos ließ ihm die Hände gleich von den Fesseln befreien und sprach in freundlichem Tone: 'Wer du auch bist, vergiß jetzt die Griechen, die heimwärts sich wandten! Einer der Unseren bist du! Doch sag mir, der Wahrheit entsprechend: Weswegen schuf man dies riesige Pferd? Wer plante es? Welcher Aufgabe dient es? Der Götterverehrung? Dem Einsatz im Kampfe?' Darauf erhob der Gefragte, ein Meister pelasgischer Tücke, die von den Fesseln befreiten Hände empor zu den Sternen: 'Ewige Flammen, ihr, deren Götter den Meineid nicht dulden, auch ihr Altäre und ruchlosen Schwerter, denen ich eben noch mich entzog, ihr geweihten Opfertierbinden, bezeugt mir: Auflösen darf ich die heiligen Bande, die mich mit den Griechen einen, und hassen die Männer und alles ans Tageslicht bringen, was sie geheimhalten wollen. Die Heimat verpflichtet mich nicht mehr. Halte dein Wort nur, Troja, und bleibe, nach deiner Errettung, aufrichtig treu, erkaufe ich teuer mein Leben - für Wahrheit. Jegliche Hoffnung auf Sieg in dem Kriege setzten die Griechen stets auf die Hilfe der Pallas. Aber seitdem der verruchte Sprößling des Tydeus, der Anstifter auch von Verbrechen, Odysseus, dreist auf der Höhe der Burg die Wächter erschlugen, Minervas schicksalsträchtiges Bildnis heraus aus dem Heiligtum rissen, hastig das Weihestück fortrafften und mit den blutigen Händen schamlos die Binden berührten, den Schmuck des göttlichen Mädchens, schwand und zerrann allmählich die Hoffnung der Danaer, ihre Kräfte waren gelähmt, die Göttin zur Feindin geworden. Pallas bestätigte das durch Wunder, die niemand bezweifelt. Als man das Bildnis im Lager kaum aufgestellt hatte, da zuckten Flammen aus seinen geweihten Augen, die Glieder bedeckte salziger Schweiß, ja, dreimal sprang es sogar in die Höhe - wahrhaft zum Staunen! -, den Schild und den zitternden Speer in den Händen. Einen sofortigen Abzug zur See verkündete Kalchas: Pergamon könne nicht fallen unter argeischen Waffen, brächten das Bildnis - das jetzt sie über die Fluten entführen - sie nicht von Argos zurück mit neuem und glücklichem Omen. Wenn sie ins Heimatland jetzt, nach Mykene, segeln, so wollen dort sie nur rüsten und Götter als Helfer gewinnen und plötzlich wieder hierherfahren: Das rät Kalchas als Deuter der Zeichen. Wegen des Pallasbildraubes, der Kränkung der Göttin, erbauten sie, um den schlimmen Frevel zu sühnen, dies riesige Holzpferd. Kalchas verlangte, das Werk aus Eichenholzbalken zu solcher mächtigen Höhe zu türmen, beinahe zum Himmel: Es sollte sich durch die Tore nach Troja nicht ziehen lassen und niemals, wie einst das heilige Pallasbildnis, die Troer beschützen. Solltet ihr nämlich die Gabe für Pallas verletzen, so gingen - kehrten die Götter gegen den Kalchas selber das Omen! - elend zugrunde des Priamos Reich und sämtliche Phryger. Zöget ihr freilich das Pferd in die Stadt mit eigenen Händen, rücke einst Asien, furchtbar im Kampfe, gegen des Pelops Mauern und laure das tödliche Unglück auf unsere Enkel.' Derart verlogen, gestützt auch auf Meineid, verschaffte sich Sinon Glauben, bezwang durch Tücke und mittels geheuchelter Tränen Helden, die kein Diomedes und kein Larissäer Achilles, keine gewaltige Flotte, kein Krieg von zehn Jahren geschlagen!“ [Vergil: Lied vom Helden Aeneas. Dichtung der Antike von Homer bis Nonnos, S. 17566 (vgl. Vergil-W, S. 166 ff.) (c) Aufbau-Verlag] Als gleich darauf der Priester Laokoon 1, der eindringlich vor dem hölzernen Pferd gewarnt hatte, mit seinen zwei Söhnen bei einer Opferung von zwei Schlangen zu Tode gebissen wurde, glaubten die Troianer endgültig diesem Heuchler und zogen das Pferd in die Stadt. In der Nacht öffnete Sinon, wie vereinbart, von außen das Pferd, die Achaier stiegen aus dem Pferd und zerstörten blutig die Stadt Troia; Aeneis 2,266ff: „Dämmerung sank, aus dem Ozean stieg das nächtliche Dunkel, barg in tiefem Schatten die Erde, den Himmel, die böse Tücke der Griechen. Die Teukrer verstummten, zerstreut in der Festung. Tiefer Schlaf umfing die ermatteten Glieder. Da stachen schon von Tenedos aus die argeischen Krieger, zum Kampfe völlig gewappnet, in See und nahmen, begünstigt vom stillen Mondschein, den Kurs auf die ihnen vertraute Küste. Vom Flaggschiff war ein Signal aufgeflammt, und, geschützt von grausamen Göttern, öffnete Sinon verstohlen die Fichtenholzriegel, den drinnen Eingeschlossenen Zeichen zum Ausstieg. Ins Freie entließ sie alle das Roß, und erleichtert verließen die hölzerne Höhle eiligst die Fürsten Thessandros, Sthénelos, auch der verfluchte König Odysseus - sie ließen am Seil sich hinab -, und Akamas, Thoas, darauf Neoptólemos, weiter der edle Machaon, dann Menelaos, nach diesem Epeios, Erbauer des Rosses. Über die Stadt, die in Schlummer und Weinrausch versunken sich darbot, fielen sie her, erschlugen die Wachen, empfingen durch offne Tore die Freunde und schlossen zum Kampf, wie geplant, sich zusammen.“ [Vergil: Lied vom Helden Aeneas. Dichtung der Antike von Homer bis Nonnos, S. 17577 (vgl. Vergil-W, S. 172 ff.) (c) Aufbau-Verlag] Sinon half durch Brandlegung an der Zerstörung von Troia mit; Aeneis 2,320ff: „'Wo tobt, Panthus, der wichtigste Kampf? Wo halten wir eine Stellung?' so rief ich. Laut stöhnend fiel er ins Wort mir: 'Der letzte Tag und das unausweichliche Ende der Dardanerfestung sind gekommen. Wir waren einst Troer, auch Troja mit seinem mächtigen Ruhmesglanz war. Der grausame Jupiter schenkte alles den Danaern, Griechen beherrschen die brennende Festung. Mitten im Mauerkranz ragt das hölzerne Pferd, und in Massen speit es Bewaffnete aus, und Sinon, voll Hohn im Erfolge, schürt überall die Flammen.“ [Vergil: Lied vom Helden Aeneas. Dichtung der Antike von Homer bis Nonnos, S. 17581 (vgl. Vergil-W, S. 174 ff.) (c) Aufbau-Verlag]