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thyestes
THYESTES Der „Mann des Opfers“. Sohn des Pelops 1 und der Hippodameia 1, Gemahl der Laodameia 8 (nach Apollodor E 2,13 war sie eine Naiaden-Nymphe) und von ihr Vater von Aglaos, Kallileon, Orchomenos 5 und Pelopeia 2; Seneca nennt in seinem Drama „Thyestes“ die Kinder Plisthenes und Tantalus. Erstmals literarisch erwähnt wurde er in Homers Ilias 2,100f: „……………………………..Fürst Agamemnon erhob sich mit dem Zepter; das hatte Hephaistos kunstreich verfertigt und dem Zeus gegeben, dem waltenden Sohne des Kronos. Zeus übergab es dem Gott des Geleits, dem blitzschnellen Boten. Hermes, der Herrscher, verlieh es dem rossetummelnden Pelops, Pelops wieder dem Atreus, dem Hirten der Völker. Und Atreus hinterließ es im Tode dem herdenreichen Thyestes, dieser jedoch Agamemnon, damit er es trage und über zahlreiche Inseln und über ganz Argos als König gebiete.“ [Homer: Ilias. Dichtung der Antike von Homer bis Nonnos, S. 4654 (vgl. Homer-W Bd. 1, S. 24 ff.) (c) Aufbau-Verlag] ….. In der gesamten Weltliteratur gibt es kein zweites Geschlecht, das auch nur annähernd die Phantasie der Künstler, speziell der Dichter und Komponisten, so beflügelt hat wie dieses, das Geschlecht des Grauens. Fast grenzenlos wurde die Geschichte dieser mehrere Generationen umfassenden Verwandtschaft von Schriftstellern bis heute erzählt, ausgeschmückt , variiert, neu erfunden, die Genealogie abgeändert. Mündliche und schriftliche Überlieferung, Erzähl- und Dichtkunst, Werke der Malerei, Töpferei, die Kunst der Musiker, Bildhauer und Metallbearbeiter paaren sich mit den Ergebnissen der modernen Archäologie und ermöglichen uns heute Ausflüge in die Sphären höchster Phantasie. Auf allen Schauspiel- und Opernbühnen unserer Welt begegnen uns die Figuren der Tantalidensage heute noch und in ständig neuer Interpretation. ….. Ein Teil davon ist die Atreus / Thyestes-Sage: Die Dichter schrieben Hippodameia und Pelops neben Thyestes und Atreus noch viele Kinder zu: Troizen, Lysidike 1, Pittheus, Letrinoi, Skiron 1, Dias 3, Pleisthenes 1, Nikippe / Amphibia, Dimoites, Epidauros, Astydameia 4, Daito, Kopreus 1, Kleonymos, Eurydike 3, Alkathoos 1 und Argeios 7. Pelops hatte zudem auch einen außerehelichen Sohn Chrysippos 1, den ihm Astyoche 10 / Axioche oder der kretischen Nymphe Danais 3 zur Welt brachte. Einige seiner Töchter verheiratete Pelops mit den Söhnen des Perseus (Erstauflage des A.E.I.O.U.), einige seiner Söhne waren Eponyme von Städten, am meisten von allen liebte er aber den Chrysippos, den Sohn der Nymphe. Hippodameia aber hasste den Knaben und fürchtete, dass Pelops als Nachfolger auf dem Thron von Pisa den Chrysippos und nicht einen ihrer Söhne bestimmen könnte. Sie beauftragte Atreus und Thyestes, ihre ältesten Söhne, den Halbbruder, zu ermorden. Die Söhne gehorchten. Pelops, verbittert, sprach einen Fluch über die Mörder Atreus und Thyestes und ihre Nachkommen und wies sie mit ihrer Mutter Hippodameia aus der Stadt. „Der Fluch des Pelops“. Sie mussten Pisa verlassen. Ihr Schwager Sthenelos 6, der König von Mykene, bot den Ausgestoßenen an gemeinsam in der Stadt Midea zu herrschen. Beide griffen gerne zu. ….. Atreus kaufte von Nauplios Aerope 1, die verstoßene Tochter des Königs Katreus 1 von Kreta („die mit dem nebelweißen Gesicht“), und heiratete sie. Die Gekaufte schenkte Atreus die Kinder Alkon 4, Melampus 2, Agamemnon Pleisthenes 1, Anaxibia 3, Astioche 6 und Menelaos. Heimlich liebte sie aber Thyestes, ihren Schwager und schenkte ihm jenes in einer Kiste verborgene goldene Widderfell, das Atreus längst der Göttin Artemis hätte opfern sollen. Es war, wie der geheiligte Stab, ein Zeichen der königlichen Macht. Als einige Jahre später Eurystheus, der Sohn des Sthenelos 6 und Nachfolger als König von Mykene, von Hyllos 3, dem Sohn des Herakles, aus Rache wegen seiner an den Herakliden begangenen Untaten, ermordet wurde, beauftragte das Orakel das Volk von Mykene einen Sohn des Pelops zum König zu wählen. Atreus, als der älteste, erhob Anspruch auf den Thron. Thyestes schlug vor, man solle den erwählen, der das goldene Vlies vorweisen könne. Atreus, ahnungslos, und das Volk stimmte zu - und Thyestes wurde erwählt. Wütend über den Verrat bezeichnete Atreus ihn als Betrüger und bat Zeus um Hilfe. Und Zeus half: Er schickte Hermes, der flüsterte Atreus etwas in das Ohr – und Atreus erklärte dem Volk, dass er als Beweis seiner königlichen Macht die Sonne rückwärts laufen lassen werde. Und es geschah! Das Volk erklärte ihn zum König. Aerope, seine der Untreue überführte Ehefrau, ließ Atreus in das Meer werfen, Thyestes, seinen Bruder, verbannte er. Die Familie des Thyestes, seine Gattin Laodameia und die Kinder, mussten in Midea bleiben. ….. Thyestes hatte in seinem Hause Pleisthenes 1, einen außerehelichen Sohn seines Bruders Atreus, wie sein eigenes Kind aufgezogen. Nun, verbannt und entehrt, stiftete er den Herangewachsenen zur Ermordung seines leiblichen Vaters Atreus an. Pleisthenes ging nach Mykene, trat vor den verhassten Vater und wollte ihn ermorden. Aber Atreus wehrte sich erbittert und erstach dabei den Angreifer. Erst als der ungestüme Jugendliche tot am Boden lag, erkannte ihn Atreus – es war sein eigener Sohn. Aus Rache bat Atreus seinen Bruder Thyestes heuchlerisch zu einem Mahl der Versöhnung. Persönlich schlachtet am Altar des Zeus Aglaos, Kallileon (auch Kalaos 3 genannt) und Orchomenos 5, die kleinen Söhne des Thyestes und setzt sie ihm, dem Vater der allein am Tische speiste gebraten und gekocht vor. Als grauenhafter ‚Nachtisch‘ ließ Atreus seinem Bruder die blutigen Köpfe der drei Kinder vorsetzen. Thyestes erbrach das Fleisch der eigenen Kinder und verfluchte Atreus und seine Nachkommen – „Der Fluch des Thyestes.“ „Die Atriden, das drei mal verfluchte Geschlecht.“ ….. Rache schwörend ging Thyestes nach Delphi. Das Orakel teilte ihm mit, dass nur ein Sohn, den ihm seine eigene Tochter gebären müsse, Atreus töten könne. Auf der Suche nach seiner Tochter Pelopeia 2, sie lebte am Hofe des Königs Thesprotos, begegnete er einigen jungen Frauen die gerade mit einem Tanz die Göttin Athene ehrten. Die Anführerin der Reigentänzerinnen, Pelopeia, begab sich zu einem Bach um ihr Kleid, das bei einem Tieropfer mit Blut beschmutzt wurde, zu reinigen. Thyestes schlich ihr nach und vergewaltigte sie ohne zu erkennen, dass es seine eigene Tochter ist. Bevor er weiter zog nahm Pelopeia ihm sein Schwert weg und versteckte es unter dem Altar der Athene. Der dreifache Kindesmord des Atreus erzürnte die Götter. Sie ließen das Land vertrocknen, eine große Hungersnot brach aus. Atreus befragte das Orakel und erhielt zur Antwort, dass er seinen Bruder Thyestes suchen und nach Mykene zurückbringen müsse. Auf der Suche nach seinem ihm verhassten Bruder erschien Atreus am Hofe des Königs Thesprotos und verliebt sich in Pelopeia, die er für eine Tochter des Gastgebers hielt. Aus Angst verschwieg Thesprotos die Wahrheit und gab ihm die Schwangere zur Frau. In Mykene entband sie heimlich, setzt das Kind aus und legt das Schwert des Vaters dazu. Hirten fanden den Knaben und brachten ihn zum König. Atreus gab ihm, weil er während der Aussetzung von Ziegen ernährt wurde, den Namen Aigisthos, „der von Ziegen Gesäugte“, und nahm den unbekannten Findling wie einen eigenen Sohn auf. Jahre später sandte der auf der Suche nach seinem Bruder erfolglose Atreus seine Söhne Agamemnon und Menelaos aus um Thyestes endlich zu finden. Sie fanden ihn in Delphi und brachten ihn nach Mykene. Sofort warf ihn Atreus in den Kerker und beauftragt den inzwischen erwachsenen Aigisthos diesen Thyestes zu ermorden. Der junge Mann betrat mit seinem Schwert mordlüstern das Gefängnis. Am Schwert erkannte Thyestes jedoch seinen Sohn / Enkel und Aigisthos den Vater / Großvater. Die herbeigerufene Mutter, Pelopeia, entsetzt über die Zusammenhänge, wurde sich der Blutschande bewusst, entriss verzweifelt dem Aigisthos das Schwert und erstach sich. Ergriffen und voller Schmerz entwand Aigisthos der Sterbenden das Schwert und stürzte aus dem Kerker. Als Atreus ihn mit dem blutverschmierten Schwert vor sich sah glaubt er, dass Thyestes endlich tot sei und eilte freudig an das Meer um ein Dankesopfer darzubringen. Wütend verfolgte Aigisthos den ahnungslosen Atreus, erreichte ihn am Strand und ermordete ihn mit dem Schwert des Thyestes. Seinen Vater/Großvater setzt er als neuen König von Mykene ein. Agamemnon und Menelaos, die Söhne des Atreus, flüchteten nach Sparta, kehrten aber bald mit Hilfe von Tyndareos, dem König von Sparta, zurück und vertrieben Thyestes endgültig. Agamemnon besaß nun neben dem goldenen Fell auch den heiligen Stab, die Insignien der Macht, und wurde der mächtige König von Mykene. ….. Das Grab des Thyestes wird heute neben der Straße von Mykene nach Argos gezeigt. ….. Seneca schrieb eine „Thyestes“-Tragödie.