Entstehung der ersten Gesamtgenealogieder
Götter und Heroen der griechisch-mediterranen Mythologie

"Gehe nicht, wohin der Weg führen mag,
sondern dorthin, wo kein Weg ist,
und hinterlasse eine Spur."

(Jean Paul)

Entstehung:
Von 1957 bis 1960 war ich Kochlehrling im Hotel "Goldener Hirsch" in Salzburg. Als 15-Jähriger hörte ich dort in einem Ruheraum des Hotels in einer Pause zwischen dem Abendgeschäft und dem "Dinner nach der Oper" eine Festspielübertragung der Oper Elektra von Richard Strauss. Die Musik empfand ich als grauenhaft und der Text war für mich völlig unverständlich, doch eine gewisse Neugierde erfasste mich. Die Lektüre des Librettos bewies nur meine Ahnungslosigkeit.

Der langjährige Direktor der Salzburger Festspiele, Herr Prof. Bernhard Paumgartner, ein Freund meiner Großmutter, erklärte mir, einem 15-Jährigen, bei einer Tasse Tee den Inhalt der Oper und begeisterte mich für die griechische Mythologie und darüber hinaus auch für die Literatur und die Musik. Meine Großmutter erkannte meine Begeisterung und schenkte mir zu meinem 16. Geburtstag "Die schönsten Sagen des klassischen Altertums" von Gustav Schwab. Viele Nachmittage verbrachte ich nun im Mirabellgarten, in der Hand das Buch und vor mir die mythologischen Figuren, die nun nicht mehr aus Stein waren, sondern lebten. Gleichzeitig befasste ich mich autodidaktisch mit der Geschichte Europas und seiner Herrscherhäuser. Dabei wurde mir sehr schnell klar, dass mythologische und religiöse Vorstellungen und Rituale immer eine wesentliche Rolle spielten, wenn es um Machtansprüche und Machterhaltung ging. Die Beschäftigung mit der Antike und ihren literarischen Zeugnissen war daher ein zusätzlicher logischer Schritt. Es wurde mir klar, dass man, um diese Werke und ihre Bedeutung, auch in der Gegenwart, zu verstehen, sich ein Literatur- und Geschichtswissen über einen Zeitraum von 3000 Jahren erwerben muss.

Um bei der Lektüre der Werke der antiken griechischen Literatur nicht den Überblick zu verlieren, erstellte ich mir erste Einzelgenealogien, beispielsweise den Stammbaum der Nymphe Jo. Eine Genealogie der Tantaliden – zehn Generationen umfassend – entstand, um die verwandtschaftlichen Beziehungen der Figuren aus Aischylos’ Trilogie „Die Orestie“, jene aus Euripides’ „Iphigenie in Aulis“ und „Iphigenie bei den Taurern“ und Goethes "Iphigenie auf Tauris" zu erfassen.

Der in Vergils Aeneis dargestellte Gründungsmythos des römischen Reiches war Anlass, einen weiteren Stammbaum aufzuzeichnen. Hier gründet der Herrschaftsanspruch des Augustus in der Abstammung von Aineias, dessen Vater aus dem Geschlecht der Dardaniden stammte und dessen Mutter Aphrodite war. Dardanos, der Stammvater der Dardaniden, war ein Sohn des Zeus. Damit ergibt sich eine direkte Verbindungslinie zwischen Augustus und Zeus bzw. zwischen Augustus und Aphrodite.

Als ich diese unstrukturiert erstellten einzelnen Stammbäume vor mir sah kam mir die Idee erstmals eine, die gesamte antike Literatur umfassende, Gesamtgenealogie, beginnend mit Hesiods Theogonie, zu erarbeiten. Seit vorchristlicher Zeit gab es viele Einzelgenealogien, aber noch nie einen mit dem Chaos beginnenden Gesamtstammbaum. Diese, als Gedankenstützen gedachten Einzelstammbäume, eigneten sich als Basis, um eine Gesamtgenealogie zu erarbeiten.

Ab 1975 ging ich dann systematisch vor und arbeitete alle in der für mich erreichbaren antiken Literatur erwähnten Götter- und Heldenfiguren und ihre Stammbäume in das graphisches Werk ein. Albrecht Dihles "Griechische Literaturgeschichte" diente als Richtschnur, um die antiken griechisch-römischen Werke mythologischen Inhalts möglichst lückenlos zu erfassen.

Altitalische und etruskische Göttinnen und Götter und deren Nachkommen wurden nur dann in die Genealogie eingefügt, wenn diese mit griechischen Gottheiten verschmolzen wurden wie der altitalische Feuergott Vulcanos, der mit Hephaistos vereinigt wurde. Erfasst wurden auch jene altitalischen Götter, die mit den Figuren der griechischen Mythen in enger Verbindung stehen. Zu ihnen gehört Turnus, der große Gegenspieler des Aineias, der bei Vergil als Nachkomme des altitalischen Ehegottes Pilumnus bezeichnet wird.

Die Namen aller in der graphischen Darstellung aufscheinenden Figuren habe ich nebenbei in einem Lexikon alphabetisch erfasst und mit erklärenden Texten versehen. Zu den 5.770 auf der Schautafel angeführten Figuren werden in diesem Verzeichnis weitere 2.049 Figuren beschrieben, die in der einschlägigen Literatur vorkommen, aber in keinen der Stammbäume eingebunden werden konnten. Diese erklärenden Texte und Erläuterungen bestehen teils aus selbst verfassten Nacherzählungen oder Originaltexten aus der einschlägigen Literatur.

Bei wichtigen Figuren der Mythologie erarbeitete ich in einer neuen Form die Beschreibung ihrer Lebensläufe. Ich entnahm den Werken, z. B. der Ilias, den klassischen Schauspielen, nachhomerischen Werken u. a., alle für die betreffende Figur in Frage kommenden Textstellen, setzte sie in eine zeitliche Reihenfolge und verband sie mit von mir verfassten Ergänzungen. So entstand u. a. ein 47 Seiten umfassender Lebenslauf der Achilleus, ein 53-seitiger Lebenslauf des Aineias und eine 24-seitige Kurzfassung der Tantalidensage. Aus Zeitgründen musste der schriftliche Teil jedoch bislang unredigiert und teilweise unvollendet bleiben. In den nächsten Jahren werde ich ihn textlich ergänzen - ein ‚Work in Progress’.

Im Lexikon enthalten sind Zusammenfassungen verschiedener Figurengruppen wie z. B. - Ein 928 Nymphen umfassendes "Lexikon der Nymphen" - Ein Verzeichnis mit 149 Personifizierungen von Begriffen - Ein Verzeichnis der 216 Kinder des Poseidon u. a. In Summe umfasst der schriftliche Teil ca. 11000 Seiten.

Die Erarbeitung der Graphik und des Lexikons habe ich im Jahre 2003 vorläufig abgeschlossen. Anschließend überprüfte ich in fünfjähriger Arbeit alle auf der Schautafel aufscheinenden 5770 Figuren anhand der 85 Bände von "Paulys Realencyclopädie der classischen Alterthumswissenschaft" auf ihre Richtigkeit beim Einbau in die Stammbäume.

Im Jahre 2008 habe ich den mit Unmengen von Spickzetteln übersäten Erstentwurf handschriftlich auf eine ca. 55 Meter lange und 1,7 m hohe Kartonage in Reinschrift gebracht. Dieses handschriftliche Original befindet sich im Depot der Landesbibliothek von Vorarlberg. Die Graphik wurde anschließend digital erfasst. Eine zweite, verbesserte, handschriftliche Fassung gibt, digital erfasst, die Möglichkeit die Genealogie mit Bildern auszustatten. Dadurch war es mir möglich im Jahre 2014 eine mit 160 Bildern ausgestattete 62 m lange "Salzburger Fassung" zu erarbeiten.

Dieter Macek